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Hintergrund


Der Wasserstoff-Hype und die Realität

Fachleute, die sich länger mit dem Thema Wasserstoff und dessen Nutzung als Energieträger beschäftigen, kommen zu einer ganz anderen Bewertung der Chancen und des Nutzens, als der landläufige Tenor der Medien es vermuten lässt.
Der aktuelle Hype wurde im Juni 2020 ausgelöst von Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) bei der öffentlichkeitswirksamen Vorstellung der „Nationalen Wasserstoff-Strategie“ (NWS). Schon die genannte Fördersumme von 9 Mrd. Euro für Projekte im In- und Ausland ließ aufhorchen. Bei Wasserstoff-Technologien strebe Deutschland eine internationale Vorreiterrolle an, hieß es. Im Nachhinein wirkt dieser energiepolitische Vorstoß wie ein Versuch, von den Versäumnisse beim Ausbau der erneuerbaren Energien abzulenken.
Zunächst zum Positiven: Ja, Wasserstoff (H2) bietet tatsächlich einige sinnvolle Nutzungen an, die allerdings bereits seit Jahren bekannt sind und in Marktnischen und Modellprojekten auch eingesetzt wurden. Das farblose, ungiftige Gas hat einen hohen Brennwert und verbrennt mit dem Luftsauerstoff zu Wasser. Anders als bei der Verbrennung der fossilen Energieträger Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas oder Kerosin entstehen dabei weder Kohlendioxid und noch Luftschadstoffe (der geringe Teil Luftstickstoff, der parallel zu NOx oxidiert wird, einmal ausgenommen).
Aber Wasserstoff ist keine Energiequelle, die auf der Erde in größeren Mengen vorkommt und nur gefördert werden muss, sondern ein technisch hergestellter Energieträger. Während H2 heute weit überwiegend aus fossilem Erdgas durch Dampfreformierung produziert wird („blauer Wasserstoff“), will man künftig zu „grünem“ Wasserstoff kommen, der möglichst klimaneutral aus Ökostrom, überwiegend Windkraft oder Photovoltaik, erzeugt wird. Auch „grüner“ Wasserstoff ist jedoch nicht völlig klimaneutral, weil bei der Herstellung der Windräder und Solarstromanlagen in gewissem Umfang Kohlendioxid (CO2) anfällt. Mit anderen Worten: Der CO2-Faktor pro Kilowattstunde Ökostrom beträgt nur einen Bruchteil des CO2-Faktors des deutschen Strommixes, aber ist größer Null.
„Grüner“ Wasserstoff wird per Elektrolyse hergestellt. Dabei wird Wasser (H2O) an Elektroden in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der Wasserstoff kann dann Erdgas zur Steigerung des Brennwerts beigemischt oder direkt in Turbinen oder Motoren verbrannt werden, um für Antrieb zu sorgen oder Strom und Wärme zu erzeugen. Möglich ist auch die „kalte“ Verbrennung in einer Brennstoffzelle, einem elektrochemischen Prozess, aus dem wiederum Strom und Wärme entstehen. Das Gas ist auch als „Zwischenspeicher“ für Stromüberschüsse aus der Photovoltaik oder Windkraft, etwa um die Abregelung der Windräder zu vermeiden, von Nutzen. Diese Flexibilität des Energieträgers mit verschiedenen Einsatzbereichen ist positiv zu vermerken.
Industriell wird Wasserstoff weniger als Energieträger, denn als Produktions-Grundstoff eingesetzt, in der chemischen Industrie und in der Stahlproduktion. Hier dient das Gas als Reduktionsmittel für das Roheisen und ersetzt in dieser Funktion den üblichen Hochofen-Koks, wodurch die dabei entstehenden CO2-Emissionen vermieden werden, mithin ein sehr sinnvoller Einsatz von H2.
Wasserstoff, als das kleinste und leichteste Gas im chemischen Periodensystem, ist allerdings stark flüchtig, erfordert deshalb eine hohe Dichtigkeit bei Aufbewahrung, Transportbehältern und Pipelines kann sich in Metall-Gitterstukturen einlagern und diese Metalle verspröten. Als weiterer Nachteil ist die geringe volumenbezogen Energiedichte zu nennen. Das heißt, H2 muss stark komprimiert (evtl. auch gekühlt) werden, damit die Behälter nicht zu groß werden, was natürlich mit Energieaufwand verbunden ist. Bei gleichem Druck lässt sich in einem Behälter etwa viermal so viel Energie in Form von Erdgas als in Form von Wasserstoff speichern. Der Energiebedarf für die Kompression von Wasserstoff ist achtmal höher als der für Erdgas. Und damit sind wir beim entscheidenden Nachteil. Bei der Erzeugung des Energieträgers Wasserstoff selbst, bei Kompression, Transport und der Umwandlung in Nutzenergie geht immer Energie verloren. Je länger solche Ketten sind, desto mehr Energie bleibt auf der Strecke, umso höher sind auch die CO2-Emissionen.
Bei Brennstoffzellen in Autos oder Heizsystemen bleiben am Ende der Kette nur 20-25 % der bei der Elektrolyse eingesetzten Strom übrig. Mit dem Stromverbrauch eines Brennstoffzellen-Autos könnten vier baugleiche Elektroautos betrieben werden oder ein reines Elektroauto die vierfache Strecke zurücklegen. Natürlich lassen sich Gas- und Energieverluste bei Herstellung, Transport und Umwandlung verringern und daran wird auch fleißig gearbeitet, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Im Grundsatz ändert das wenig an dem gravierenden Missverhältnis aus Input und Output beim Einsatz von Wasserstoff als Energieträger für Strom-Anwendungen. Wo direkter Stromeinsatz möglich ist, macht die Rückverstromung aus Wasserstoff überhaupt keinen Sinn. Der batterieelektrische Antrieb ist dem Wasserstoffantrieb (Wasserstofftank, Brennstoff-zelle, Elektromotor) bei der Energie- und CO2-Bilanz deutlich überlegen.
Es ist der Rattenschwanz, den die Erzeugung und das Handling von Wasserstoff nach sich ziehen, weshalb ein günstiger Wasserstoff-Preis als eher unwahrscheinlich gelten kann. Deshalb wird Wasserstoff auch gern als „Champagner der Energiewende“ bezeichnet. Für den Massenmarkt (Autos und Heizungen) wären aber niedrige bzw. bezahlbare Kosten ganz entscheidend. Insofern wird hier Wasserstoff mindestens kurz- bis mittelfristig keine Rolle spielen, wohl aber -mit entsprechendem Zuschussbedarf- bei der Industrie und im Transportwesen (Passagierflugzeuge, Züge auf nicht elektrifizierten Strecken, LKW). Die entsprechenden Technologien und Antriebe werden gerade erprobt, der Rollout erfolgt in den nächsten Jahren bis 2030. (rk, Juni 2022)
Quellen:
„Die ernüchternde CO2-Bilanz von Wasserstoff“, Ulf Bossel, Sonnenenergie, 1/2022
„Deutschland steckt Milliarden in eine Wasserstoffstrategie“, René Höltschi, Neue Züricher Zeitung, 11.06.2020



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