Hintergrund

Diese Angaben beziehen auf eine Heizanlage mit 5 Kilowatt Leistung (für Einfamilienhäuser). Beim Antriebstrom der Wärmepumpen wird vom deutschen Strommix ausgegangen, was bedeutet: Bei Solarstrom vom eigenen Dach oder bei Ökostrombezug ließen sich die Emissionen weiter reduzieren. Solarkollektoren reichen in der Regel nur für die Warmwasserbereitung und zur Unterstützung der Heizung, aber das Gros der Heizwärme muss von einem zusätzlichen Wärmeerzeuger kommen. Nähere Angaben und weitere Systeme sind in der Datenbank zu finden.
Aus dieser Liste ergibt sich automatisch ein Ranking hinsichtlich der Klimaverträglichkeit der häufigsten Wärmerzeuger. Sie steigt mit sinkenden Emissionen von 1 bis 9, also in umgekehrter Reihenfolge der Ziffern. (rk)

Quellen:
Website des BDEW, www.bdew.de
www.probas.umweltbundesamt.de
Infografik, Die Zeit, 14.11.2024

klimaseite.info, 21.10.2024

Jetzt verdichtet sich ein Verdacht zur Gewissheit. Der geschundene deutsche Wald, von Trockenheit, Waldbränden, Stürmen und Schädlingen heimgesucht, kann weniger CO2 speichern, schwächelt in seiner Funktion als „Senke“ und wird zur CO2-Quelle. Der aktuelle Waldzustandsbericht, der alle 10 Jahre erscheint, zeigt, dass die Waldfläche dank Aufforstung zwar ein wenig zugenommen hat, die Masse an Holz, also des CO2-Speichers ist jedoch geschrumpft. Das ist eine ganz schlechte Nachricht, sollte er doch jetzt und in Zukunft Kohlendioxid aufnehmen, das schwer oder gar nicht zu vermeiden ist.   

Eine Hoffnung weniger?

Im Klimaschutzgesetz sind fünf CO2-Emissionsektoren aufgeführt und bei ihrem Jahresausstoß gedeckelt. Zusätzlich der Bereich „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ (LULUCF) mit einer Besonderheit: Als einziger Sektor enthält er nicht nur Quellen von Treibhausgasen, sondern auch Senken. Das heißt, hier kann der Atmosphäre CO2 entzogen und gespeichert werden. Laut Klimaschutzgesetz soll Sektor LULUCF im Mittel der Jahre 2027 bis 2030 pro Jahr 25 Mio. Tonnen Treibhausgase, umgerechnet als CO2-Äquivalent, absorbieren. Bis 2045 sollen es sogar 40 Mio. Tonnen CO2 äq pro Jahr werden, etwa 5 Prozent der 2020 in Deutschland freigesetzten CO2-Äquivalente.

Aber um LULUCF ist es nicht gut bestellt. Die Wissenschaftler des Thünen-Instituts warnen nach eingehender Untersuchung: „Die Projektionsdaten 2024 zeigen, dass der Sektor auch künftig in vielen Jahren eine Treibhausgasquelle bleibt. Bei Umsetzung beschlossener Maßnahmen wird in den Jahren von 2027 bis 2030 eine geringe Netto-Einbindung von 0,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent erwartet. Das Ziel einer Netto-Einbindung von 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent wird deutlich verfehlt. Noch im Projektionsbericht 2023 wurde davon ausgegangen, dass der LULUCF-Sektor eine Senke ist, also mehr Kohlendioxid einbindet als freisetzt. Die aktuelle Entwicklung im Sektor LULUCF passt nicht zu den Klimazielen. Die Ziele für 2030 werden deutlich verfehlt.“

Natürliche Speicher und Materialien

Momentan sind hierzulande 18,3 Mrd. Tonnen Kohlendioxid in der Vegetation und in Böden von landwirtschaftlich genutzten Flächen und Wäldern gebunden, also in Wald, Wiesen und Äckern. Speziell im Wald sind es ca. 4,3 Mrd. Tonnen CO2. Auch Feuchtgebiete, Moore, Parks in Siedlungen; Holzbauten und Holzprodukte werden unter der LULUCF-Kategorie subsummiert. Auf diesem Sektor ruhen große Hoffnungen, denn hier sollen unvermeidbare Emissionen ausgeglichen werden: zum Beispiel aus der Landwirtschaft, wir wollen ja auch künftig eine Nahrungsmittelproduktion in Deutschland haben. Oder bei Gebäuden. Denn mit technischen Verfahren können die CO2-Emissionen bei der Herstellung von Mauersteinen, Ziegeln, Beton zwar reduziert, aber auf nicht auf null gebracht werden und es wird die nächsten Jahrzehnte voraussichtlich fleißig weitergebaut in Deutschland. Da wäre es am schlauesten, das Holz des Waldes nicht zu verheizen, damit der über Jahrzehnte angereicherte Kohlenstoff nicht in kurzer Zeit als CO2 in die Atmosphäre geht, sondern der Kohlenstoff wäre gespeichert in Bauholz oder hochwertigen Möbeln. So bleibt der CO2-Speicher Holz weiter erhalten und das Klimagas gebunden, in Bauholz oft über Jahrzehnte.  

Wälder und Forstwirtschaft

Siedlungen und Verkehrswege nehmen in Deutschland 13 Prozent der Fläche ein, die Landwirtschaft 52 Prozent und 32 Prozent sind mit Wald bedeckt. Der deutsche Wald hat in den letzten Jahren allerdings sehr unter Bodentrockenheit und Dürre gelitten, auch aufgrund des Klimawandels. Hinzu kamen Schädlingsbefall, Waldbrände und Windbruch. Am Brocken im Harz beispielweise bietet sich den Wanderern ein deprimiertes Bild aus abgestorbenen oder umgestürzten Bäumen, von allem Nadelholz. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht, denn im speziell im „Nationalpark Harz“ setzt man auf natürliche Verjüngung auch in der Erwartung, dass der neue Bewuchs resilienter wird gegen die Folgen des Klimawandels.

Gesunder Mischwald

Bundesweit schwenkt die Fortwirtschaft um von den Monokulturen mit Fichten und Kiefern auf die Aufforstung mit einigermaßen klimastabilen Mischwäldern, aber dieser Waldumbau wird über Jahrzehnte gehen. Noch dominiert im Baumbestand das Nadelholz, die Kiefern und die besonders anfälligen Fichten, beliebt als schnellwachsendes Nutzholz. Aber in der jüngsten Altersgruppe bis 20 Jahre stehen 513.000 Hektar an Laubbäumen bereits 401.000 Hektar Waldfläche mit Nadelbäumen gegenüber. Hartes Laubholz, also nicht Pappel oder Weide, weist eine höhere Holzdichte als Nadelholz auf und kann deshalb pro Volumeinheit auch mehr CO2 in Form von Kohlenstoff abspeichern. Eine Buche mit einem Trockengewicht von 1,9 Tonnen besteht zur Hälfte aus Kohlenstoff und hat so 3,5 Tonnen Kohlendioxiddeponiert, während im gleichen Volumen Fichtenholz nur 2,6 Tonnen dieses Klimagases gebunden sind. Pro Hektar Wald und Jahr werden im Durchschnitt etwa 6 Tonnen CO2 abgespeichert, solange die Bäume stehen.

Wie funktioniert das?

Im Zuge der Photosynthese passiert nach der Aufnahme des CO2 über die Blätter Folgendes: Der Kohlenstoff (C) aus dem CO2 wird in Lignin als Stützmaterial und den „Energieträger“ Traubenzucker umgewandelt. Der Sauerstoff (O2) wird via Blattoberfläche wieder an die Luft abgegeben, der Kohlenstoff (C) bleibt im Holz. Durch Aufforstung und Baumpflanzungen kann also Klimagas aus der Luft geholt und gebunden werden, zur Kompensation des eigenen CO2-Ausstoßes eignen sich diese Maßnahmen jedoch nicht, aus zwei Gründen. Zum einen geht jeder hier gepflanzte Baum bereits in die nationale CO2-Bilanzierung ein, so dass die parallele Anrechnung auf das Unternehmen X eine Doppelzählung darstellen würde. Zum anderen sind solche Zertifizierungsprojekte auf 30 Jahre angelegt, aber niemand kann sicher voraussagen, wie sich ein Waldstück in dieser Zeit entwickelt, wieviel kaputt geht oder wieviel überlebt. Die Dynamik des Klimawandels erschwert die ohnehin unsicheren Prognosen noch.

Heikle Holzimporte           

Während die deutschen Wälder zumindest der Fläche nach zunehmen, sind die Waldbestände es in anderen Ländern bedroht durch Abholzung zugunsten der Landwirtschaft, Raubbau und Export von Tropenhölzern, auch in die EU. Gerade steht ein wichtiges Regelwerk der EU auf der Kippe, das die Entwaldung zumindest eindämmen könnte. Die noch nicht in Kraft getretene EU-Entwaldungsverordnung soll verhindern, dass Rohstoffe und Endprodukte die EU erreichen, für die Wald weichen musste. Es geht um Holz, Kakao, Palmöl, Soja, Kaffee oder Rindfleisch: Waren, durch deren Import und Verbrauch die Europäer laut EU-Kommission für zehn Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich sind. Diese Verordnung, Teil des „Green Deals“ von Ursula von der Leyen, ist zwar längst beschlossen, aber steht nun wieder in Frage, da die Opposition von Holzimporteuren und Süßwarenindustrie bis zur Bundesregierung, namentlich Olaf Scholz und Cem Özdemir reicht, die zumindest einen Aufschub fordern. Die Kritiker der Verordnung sehen die Gefahr steigender Preis und von Versorgungsengpässen. Özdemirs Petitum nach einem halben Jahr Aufschub stößt allerdings bei der grünen Fraktion im EU-Parlament auf wenig Gegenliebe. Zu groß ist die Gefahr der Verwässerung infolge des Rechtsrucks nach den Europawahlen im Juni, falls das Paket neu verhandelt werden müsste. Deshalb dringen die EU-Grünen auf „zügige und reibungslose Umsetzung.“ 

Die Rolle der Landwirtschaft

Neben Bäumen speichern generell alle Pflanzen, ob Gras, Blumen, Stauden, Büsche, Hecken, Feldfrüchte, etc. Kohlendioxid ab, nicht nur in Stämmen, Ästen, Stengeln, Blattwerk, sondern auch unter der Erde, im Wurzelwerk. Mit der Nutzung oder bei der Verrottung des organischen Materials geht das Klimagas aber über kurz oder lang wieder in die Luft. Laut „Bundesinformationszentrum Landwirtschaft“ ist auf den landwirtschaftlichen Flächen doppelt so viel Kohlenstoff wie im Baumbestand deutscher Wälder gebunden, allerdings abhängig von der Nutzung. „Während Ackerböden in den obersten 90 cm im Schnitt etwa 95 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar speichern, sind es unter Dauergrünlandflächen durchschnittlich 181 Tonnen pro Hektar.“ Also etwa das Doppelte. Deshalb wird mit dem Umbruch von Wiesen zu Äckern Kohlendioxid freigesetzt. Bei beiden Nutzungen ist der Humus der obersten Erdschicht entscheidend für die Speicherkapazität. Sie kann auch auf Äckern erhöht werden durch Umpflügen von Pflanzenresten, Mulchen und den Anbau von Zwischenfrüchten. Offen liegende Böden trocknen ohnehin schneller aus, die Bodenkrume ist Windverwehungen und Erosion stärker ausgesetzt.

Unersetzliche Moore 

Zu den unterirdischen Speichern zählen auch die Moore, in denen sehr viel Kohlenstoffe pro Fläche gebunden ist. Die Torfschicht in Mooren sind Langfristspeicher, solange die Schicht abgestorbenen Pflanzenmaterials feucht bleibt und nicht dem Luftsauerstoff in Berührung kommt. Austrocknung ist deshalb Gift für die Moore. Von Haus aus nährstoffarm, verändert Düngung oder der Eintrag von benachbarten Äckern und güllegesättigten Wiesen den Bewuchs. Nährstoffliebende Pflanzen verdrängen so das genügsame Torfmoos, einen wichtigen Torfbildner.   

Leider wurde Torfmoor lange Zeit abgebaut, früher als Brennmaterial verwendet, heute als Pflanzensubstrat. Dieses kommt wegen seines natürlichen Mangels an Nährstoffen meist hochgedüngt in den Handel. Die meisten Moorflächen wurden aber trockengelegt und sind der landwirtschaftlichen Nutzung zum Opfer gefallen. Nur noch 5 Prozent der ursprünglichen Flächen sind noch als „Moore“ zu bezeichnen. Obwohl Wiedervernässung eine langwierige Angelegenheit ist, weil Moore im Schnitt nur einen Millimeter pro Jahr an Dicke zulegen, hält das Thünen-Institut diese Methode  für unverzichtbar: „Moore wiederzuvernässen ist die wirksamste Maßnahme, um Emissionen zu vermeiden: Nach Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz und gemäß Moorschutzstrategie sollen bis 2030 jährlich fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent eingespart werden. Die Wiedervernässung von Mooren ist eine komplexe und langfristige Aufgabe, aber das Potenzial liegt deutlich höher als die bisher avisierten fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.“

Wege aus dem Dilemma

Einerseits werden erste Maßnahmen zum Moorschutz mittlerweile umgesetzt, anderseits läuft im Hintergrund die Entwässerung vieler landwirtschaftlich genutzter Flächen weiter. Der Spiegel schreibt dazu: „In Deutschland machen trocken gelegte Moore weniger als ein Zehntel der Agrarflächen aus, sie erzeugen aber fast die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft.“  Erschwerend hinzu kommt der Klimawandel mit seinen langen Trockenperioden in manchen Regionen, der zur langsamen Austrocknung bestehender Moore führt. Landwirte auf ehemaligen Moorflächen sträuben sich natürlich zunächst dagegen, Entwässerungsgräben wieder zuzuschütten, ihre Wiesen oder Äcker, also landwirtschaftliche Produktionsflächen auf Privatgrund, herzugeben. Hier ist viel Überzeugungsarbeit nötig und es müssen Zuschüsse der öffentlichen Hand fließen. Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte eine alte und neue Nutzung der unproduktiven Moore sein: die sogenannte „Paludikultur“. Nach Wiedervernässung von Mooren sollen Schilf, Rohr und Seggengras regelmäßig gemäht werden. Die Ernte könnte dann nach Verarbeitung als Dämmstoff oder Verpackungsmaterial dienen. Erste Projekte laufen an. Schilfrohrmatten wurden früher als Putzträger bei Holzbalkendecken verwendet, heute dienen sie als Sonnen- oder Sichtschutz. (rk)        

Quellen:

„Von der Senke zur Quelle“, www.thuenen.de, 15.03.2024

„Das Klima killt den Klimaschützer“, Michael Bauchmüller, Süddeutsche Zeitung, 09.10.2024

„Verschiebt die EU-Kommission den Schutz der Bäume?“, Jan Diesteldorf, Süddeutsche Zeitung, 27.09.2024

„CO2-Speicher Holz“, www.wald.de

„Älter, vielfältiger, aber keine CO2-Senke mehr: So steht es um Deutschlands Wälder“, Pressemitteilung des Thünen-Instituts, www.thuenen.de, 04.10.2024

„Der Wald in Deutschland. Ausgewählte Ergebnisse der Bundeswaldinventur“, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bonn, Oktober 2024

„Wieviel CO2 binden landwirtschaftlich genutzte Böden?“, Bundesinformationszentrum Landwirtschaft, www.landwirtschaft.de

„Mann im Moor“, Ruben Rehage, Der Spiegel, 12.10.2024

klimaseite.info, 29.09.2024

Die deutschen Klimaschutzziele sind zumindest als Abstrakta in der Öffentlichkeit bekannt, von den meisten Parteien akzeptiert und in den Medien immer wieder angeführt:

  • Bis 2030 Reduzierung der Treibhausgase um 65 % gegenüber 1990, bis 2040 um minus 88 %
  • Stromerzeugung zu 80 % aus erneuerbaren Quellen bis 2030
  • Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045

Aber was bedeuten diese in der politischen Praxis? Über den Weg zu diesem Zielen scheint weithin Unklarheit zu herrschen und der Bundesregierung ist es nicht gelungen, ihn zu vermitteln. Kein Wunder, die Auffassungen der Koalitionspartner gehen auch in diesem Fall auseinander. Außerdem sind die unterschiedlichen Optionen zum Erreichen der Klimaschutzziele selbst zum Gegenstand politischer Profilierung geworden.  

Ohne Steuerung und Strategie

Das Bundeskabinett arbeitet auch auf diesem wichtigen Feld nicht vernünftig zusammen. Weder verstehet sich der Bundeskanzler als Steuermann beim Klimaschutz, noch gibt es ein „Klimakabinett“ mit den wichtigsten Ministern. Und es fehlt an einer ressortübergreifenden Gesamtstrategie, die sich in allen Gesetzen, der Besteuerung, der finanziellen Förderung, der Öffentlichkeitsarbeit abbildet und natürlich auch auf den fünf wichtigsten, in Klimaschutzgesetz (KSG) genannten Emissionssektoren für Treibhausgase: Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges.

Diese Sektoren sind in dem noch von der vorherigen Bundesregierung eingebrachten und vom Parlament verabschiedeten Klimaschutzgesetz (KSG) mit Ausgangswerten, Jahresobergrenzen und Zielzahlen für die Treibhausgase konkretisiert, woraus sich automatisch die fünf jeweiligen Absenkpfade ergeben. Das KSG, dessen Bedeutung vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bekräftigt worden ist, lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Allein, an der Umsetzung hapert es. Neben einer Gesamtstrategie fehlt es auch an zielführenden Strategien für die Sektoren. Das Umsetzungsdefizit ergibt sich also aus einem Steuerungsdefizit mit der Folge, dass der Verkehrs- und der Gebäudesektor seit Jahren die im KSG fixierten Limits überschreitet. Es ist weiterhin unklar, wie und wann die Bundesregierung da wieder in die Spur kommt und auf den vorgezeichneten Absenkpfad einschwenken kann.

In ihrer Not hat sie das Klimaschutzgesetz mit Inkrafttreten der entsprechenden Novelle am 17.07.2024 entschärft und verwässert, so dass künftig die Querverrechnung zwischen den Sektoren möglich sein wird, sofern die Gesamtmenge im Limit bleibt. Die Begründung, auf eben diese käme es ja in der Hauptsache an, klingt plausibel, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Verkehrsministerium und Bauministerien erstmal aus der Verantwortung sind. Geywitz und Wissing haben eine Sorge weniger, der Klimaschutzminister Habeck dafür eine mehr. Auch deshalb bleibt letztlich ein Rätsel, warum seine Partei diesen faulen Kompromiss mitgetragen hat.

Wärmewende mit Verzögerung

Nach Beispielen für die Behauptung, dass die Regierung auch beim Klimaschutz nicht an einem Strang zieht, muss man nicht lange suchen. Da wäre etwa die Umstellung der Heiztechnik. Das standardmäßige Aus des Ölkessels nach 30 Jahren hatten schon frühere Regierungen in der Energieeinsparverordnung festgelegt. Nun sollte mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) nach dem Willen von Energie- und Klimaminister Habeck ein weiterer Schritt erfolgen, weg von den fossilen Energieträgern, hin zu Heizungen mit erneuerbaren Energien. Das ist eigentlich gut begründbar mit den deutschen Klimaschutzzielen, den im KSG gesetzten Limits und der Notwendigkeit zur Minderung von Luftschadstoffen. Aber abgesehen von der schlechten Presse und den Gegenwind aus der Opposition stand Habeck mit seinem Vorhaben von Anfang an auf verlorenem Posten. Während die SPD sich in der Kampagne gegen das GEG, weithin „Heizungsgesetz“ genannt, passiv-abwartend verhielt, schlug sich die FDP auf Seite der Gegner, nervte Habeck mit einem umfangreichen Fragenkatalog, sprach sich gegen Verbote und für Technologieoffenheit aus, die auch dann Eingang ins GEG fand. Diese von vielen Seiten oft replizierte Anforderung hat aber weder Hand noch Fuß, denn jede Regierung sollte natürlich vorrangig klimafreundliche Techniken fördern, die bereits auf dem Markt verfügbar und bezahlbar sind, was bei Wärmepumpen, Nah- und Fernwärme der Fall ist, aber nicht bei Heizungen mit Wasserstoff, wobei hier nicht der Kessel, sondern der Brennstoff das Problem darstellt. Das knappe Gut „grüner Wasserstoff“ wird auf viele Jahre für den durchschnittlichen Hauseigentümer deutlich zu teuer sein: logische Folge der Herstellungs-, Transportwegs und der Eigenschaften dieses Gases. Laut GEG sind in Neubaugebieten Gasheizungen mit maximal 35 % Erdgas weiter erlaubt, wenn der Rest der Wärme mit der Verbrennung von grünem oder blauem Wasserstoff erzeugt wird. Blauer Wasserstoff wird gewöhnlich aus Methan hohem Druck und hohen Temperaturen gewonnen, das CO2 wird dabei abgeschieden und deponiert. Dieser Prozess ist energieintensiv, die Abscheidung und Deponierung aufwändig.

Zweifelhafte Brennstoffe

Für Fachleute ohne weiteres durchschaubar, geisterte diese technische Chimäre der klimaneutralen Gasheizungen dank Wasserstoff dennoch monatelang durch Medien und die politische Debatte. Wieder einmal zeigte sich: Gegen Technikeuphorie gerät nüchtern-wirtschaftliches Denken leicht ins Hintertreffen. Als weitere Schwächen des GEG könnte man nennen: die nicht nach Klimawirkung differenzierte Aufnahme der Biomasse und der Fernwärme ins Portfolio der zulässigen Techniken. Bei Biomasse ist die Wärmerzeugung aus Holz, Bioöl und Biogas zulässig, obwohl Holz besser verbaut („stoffliche Nutzung“) als verbrannt wird und die anderen beiden Brennstoffe eine unbefriedigende CO2-Bilanz aufweisen. Bei der Fernwärme ist zu monieren, dass sie gegenwärtig noch zu etwa 70 % aus der Verbrennung von Erdgas und Kohle stammt. Das Wärmeplanungsgesetz aus dem Haus Geywitz lässt den Betreibern von Kraftwerken und Wärmenetzen jedoch reichlich Zeit, diesen fossilen Anteil abzusenken. Bis 2040 sind 80 % mit Wärme aus erneuerbaren Quellen bereit zu stellen. Sowohl Hauseigentümer mit einem Gaskessel nicht älter als 30 Jahr, als auch diejenigen, die letztes Jahr noch schnell einen Gaskessel installieren ließen, können sich über die gesetzlich erlaubten Laufzeiten freuen.  

Alles in allem laufen beide Gesetze auf eine moderate, stufenweise Dekarbonisierung der Wärmeversorgung hinaus, durchaus nicht in dem Tempo, das der bedrohlich schnelle Klimawandel eigentlich verlangt. Nicht belegbar ist hingegen der oft gehörte Vorwurf der Überforderung der Hauseigentümer und rational kaum nachvollziehbar der Sturm der öffentlichen Entrüstung, der darin gipfelte, Habeck wolle funktionsfähige Gas- und Ölkessel stilllegen, nur Wärmepumpen seien künftig erlaubt. Unter diesem vermeintlichen grünen Diktat leidet der Absatz der Wärmepumpen noch heute.  Habeck äußerte im Rückblick auf das GEG und den steinigen GEG dorthin, dass eine forschere Gangart in der damaligen Situation politisch nicht durchsetzbar war.  

Der lange Abschied vom Verbrenner

Zwischen diesem Stolperstein der Ampelregierung und dem nächsten Fall, dem Verbrennungsmotor als Auslaufmodell gibt es einige Parallelen. Hier wird ebenfalls und ebenfalls auch von der FDP, ein Kraftstoff ins Spiel gebracht, der das Überleben der Verbrenner sichern soll: synthetisch hergestellter Sprit. Diese Alternative zum Elektroantrieb ist technisch ohne weiteres machbar, der Kraftstoff wird aber für Normalverbraucher auf viele Jahre kaum erschwinglich sein, vor allem wenn er möglichst klimaneutral sein soll, also etwa aus abgeschiedenem CO2 und Wasserstoff hergestellt wird. Auch hier dürfte der Herstellungsaufwand für hohe Kosten sorgen, die Normalverdiener ungern berappen. Gegen den Umstieg vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb, der von vielen Autoherstellern als notwendig erkannt und bereits aktiv in den Produktionshallen umgesetzt wird, tut sich jedoch gerade eine unheilige Allianz aus Politik und Autolobby zusammen, ähnlich der, die trotz des Dieselskandals den Abschied von dieser untauglichen und gesundheitsgefährdenden Technik jahrelang verzögert und verhindert hat. Laut EU-Umweltagentur verursachen Stickoxide jährlich 28.000 Tote allein in Deutschland. Hauptquelle: Dieselfahrzeuge. Wie schon 2015 und Folgejahre wird jetzt wieder die Aufweichung der von der EU beschlossenen Grenzwerte gefordert und es wird gegen das vom EU-Parlament beschlossene Ausstiegsdatum 2035 opponiert. Der FDP ist es gelang es, synthetische Kraftstoffe als Mittel zur Lebensverlängerung der Verbrenner auf EU-Ebene zu verankern.      

Strom statt Brennstoffe und Sprit

Beide hier beschriebenen Technologiewechsel basieren auf der Strategie: weg von der Verbrennung der fossilen Energieträgern Benzin, Diesel und Erdgas, die CO2 freisetzt, und zwar aus Millionen Quellen, so dass -anderes wie in Kraftwerken- kein Auffangen und Deponieren möglich ist, hin zum Strombetrieb. Die Elektrifizierung kann viele Verbrennungsprozesse ersetzen, während der Strom gleichzeitig durch den stetig wachsenden Anteil von Ökostrom klimafreundlicher wird. Der CO2-Emissionsfaktor im Strommix sinkt schon seit Jahren in Folge der stetig wachsenden Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen von 557 g CO2 pro Kilowattstunde im Jahr 2014 auf aktuell 380 g/kWh. Das ist zweifellos ein Erfolg, den sich in dieser Legislatur vor allem Bundesminister Habeck, -in sein Ressort fällt ja auch die Energieerzeugung- auf die Fahnen schreiben kann. Während seine Ausbauerfolge bei der Erzeugung von Ökostrom zumindest von Fachbranche und unabhängigen Fachleuten anerkannt werden, blieb die Strategie hinter dem Technikwechsel auf den Straßen und in den Heizungskellern weitgehend im Dunklen. Das fortdauernde Imageproblem von Elektroauto und Wärmepumpe hängt mit dieser mangelnden Nachvollziehbarkeit zusammen. Weder ist es der Bundesregierung gelungen, den Weg zur Klimaneutralität plausibel zu machen, noch wichtige Einzelmaßnahmen in diesem Zusammenhang zu begründen. Dies wäre aber die zwingende Voraussetzung für das Gelingen des anspruchsvollen Projekts der Klimawende, denn ein Großteil der Bevölkerung ist noch nicht bereit zum Wandel. Es fehlt an Einsicht in die Zusammenhänge und an der Bereitschaft, das Leben umzustellen, den Energieverbrauch und den Konsum einzuschränken, auch wenn das in vielen Fällen keinen Wohlstandsverlust bedeuten würde. (rk)

klimaseite.info, 26.08.2024

Bei der Beobachtung, wie sich die Mitbürgerinnen und Mitbürger bei diesem Thema im Alltag verhalten, sind bestimmte Auffälligkeiten erkennbar, wiederholen sich manche Muster. Diese kleine Typologie kann natürlich nicht vollständig sein und ist auch nicht als trennscharf zu verstehen. Denn in Wirklichkeit passen Menschen nicht perfekt in solche Schubladen.

1. Die Klimaschutzaktivisten

Sie zeichnen sich durch ein hohes Bewusstsein für die Ursachen und Folgen des Klimawandels, sowie eine enorme Bereitschaft aus, mit Protestaktionen, darauf aufmerksam zu machen. Dieser missionarische Impetus stößt auf Widerwillen und Ablehnung, ebenso wie Blockaden oder Farbattacken. Da helfen auch die strikte Gewaltlosigkeit und der offensichtliche Altruismus nicht. Die Aktivisten der „Letzten Generation“ (LG) nehmen in Kauf, dafür beschimpft, geschlagen, verletzt und von der Justiz wegen Nötigung oder schweren Eingriff in den Straßenverkehr belangt zu werden. Auch wurden schon Anklagen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung erhoben. Das Echo in Öffentlichkeit und Presse ist überwiegend negativ, aber bei der letzten Europawahl haben mehr als 100.000 der LG ihre Stimme gegeben, was diese durchaus als Zustimmung für Aktivitäten und Einsatz verstehen darf.

Zitat: „Die Welt brennt und es ist unsere verdammte Pflicht, sofort zu handeln“. 

2. Aktive Klimaschützer

Das Problembewusstsein, der Informationsstand zu Klimaschutz, Klimawandel und Klimapolitik sind ebenfalls überdurchschnittlich, ebenso die Bereitschaft, gegen Fehlentwicklungen zu protestieren, aber sie wollen mit ihrem Protest nicht vor den Kopf stoßen und massentauglich bleiben. Fridays for Future konnte in der Hoch-Zeit der Bewegung Millionen Menschen weltweit und in deutschen Städten Hundertausende mobilisieren. Wie die Klimaaktivisten sind sie bestrebt, ihren CO2-Fußabdruck im Alltag klein zu halten und das gelingt ihnen auch. Tendenziell sind sie Wähler von Bündnis 90 / Die Grünen.

Zitat: “Aktiv werden, Flagge zeigen für mehr Klimaschutz“.

3. Klimabewusste Menschen

Diese Gruppe ist durch die Nachrichten über das Wesentliche informiert, sieht eine Eigenverantwortung jeden Bürgers, spart Energie, hat ein Balkonkraftwerk oder eine Solaranlage auf dem Dach, trennt den Müll, hat einen PKW, aber nutzt auch Öffis und Fahrrad, fliegt nicht mehr als einmal pro Jahr in den Urlaub. Dabei heraus kommen unterdurchschnittliche CO2-Emissionen. Diese Leute sind durchaus der Meinung, dass mehr für den Klimaschutz getan werden müsste, sehen aber in erster Linie die Politik in der Pflicht und sind selbst nicht bereit, sich in größerem Umfang politisch zu engagieren. Zu dieser Gruppe gehören Menschen mit hohem Bildungsgrad und gutem Einkommen, zum Teil aber auch Geringverdiener, die sparsam wirtschaften müssen.

Zitat: “Jeder muss seinen kleinen Beitrag leisten“.

4. Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher

Diese Durchschnittsbürger verfolgen Nachrichten nur am Rande, denken eher konservativ und sind nicht bereit zu Komfortverlust, Verzicht oder gar Änderung ihres Lebensstils. Mit Politik haben sie nichts am Hut, von schlechten Nachrichten, etwa zum fortschreitenden Klimawandel, wollen sie nichts hören. Sie kennen den Spritverbrauch ihres Autos, nicht aber ihren jährlichen CO2-Ausstoß. Man benutzt lieber Auto als Öffis oder Fahrrad, am Sonntag gern auch mal Motorrad. Das Geld, um mehrmals im Jahr wegzufliegen oder für ein Kreuzfahrt ist vorhanden, vielleicht auch ein Einfamilienhaus auf dem Land oder am Stadtrand. Der avisierte Neuwagen muss auch wieder ein Verbrenner sein. E-Autos oder Wärmepumpen steht man eher skeptisch gegenüber. Diese Gruppe weist durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen CO2-Output auf. Und wählt überwiegend SPD oder Union.  

Zitat: „Das habe ich mir sauer verdient“ und „Was kann ich als Einzelner denn schon ausrichten?“.

5. Die Genussmenschen und Hedonisten

Klimawandel und Erderwärmung gehen sie nichts an, sie mögen auch gar nicht so recht dran denken. Glauben stattdessen, der Mensch werde das Problem schon in den Griff kriegen, denn sie sind optimistisch, setzen auf technischen Fortschritt und ihre Hoffnung auf künftige Innovationen. Sie sind keinesfalls bereit zu Komfortverlust, Verzicht oder gar Änderungen ihres Lebensstils. Geld ist genügend da für mehrere Urlaubsflüge, Wochentrips zum Shoppen in London oder Kreuzfahrten. In der Garage stehen zwei Autos, gerne auch ein Oldtimer. Man besitzt eine Ferienwohnung auf den Kanaren. Diese konsumorientierte Gruppe weist überdurchschnittlichen CO2-Output auf. Man/frau wählt tendenziell Union oder FDP, denkt und handelt eher egoistisch, wenig sozial und kaum umweltbewusst.

Zitat: „Man gönnt sich ja sonst nichts“.

6. Die Passiven und die Resignierten

Die kleinen Leute. Machen sich oft kleiner, als sie sind. Haben längst aufgegeben, sich für Politik zu interessieren oder gar zu engagieren. Sind mit dem eigenen (Über-)Leben vollauf beschäftigt. Sehen pessimistisch in die Zukunft. Wenn das Geld nur für Miete, Kleidung und Essen reicht, oder für eine Woche Urlaub am Bodensee, bleibt der CO2-Fußabdruck auch relativ klein. Gehen gar nicht mehr zur Wahl, weil das ja sowie nichts ändert.

Zitat: „Ach Gott, lass mich bloß in Ruhe mit dem Klimawandel, ich habe andere Sorgen“.     

7. Die Reichen und die Superreichen

Sind ebenfalls der Meinung, der deutsche und speziell ihr eigener CO2-Output seien unerheblich und Klimaschutz allein der Job der Politiker. Wissen gar nicht so recht, wohin mit all der Kohle, nachdem Yacht, Privatjet oder Zweitwohnung bezahlt sind. Gönnen sich öfter mal eine Schippe Luxus. Wählen tendenziell Union oder FDP. Haben einen weit überproportionalen Anteil an den deutschen CO2– Emissionen, sind aber nicht zu Einschränkungen ihres Lebensstils bereit.

Zitat: „Das kann ich mir leisten“.

6. Die Klimaskeptiker und die Klimawandelleugner

Ja, es gibt und sie sind gar nicht so selten. Ignorieren hartnäckig alle wissenschaftlichen Erkenntnisse. Glauben nicht an den menschgemachten Klimawandel, aber gern den steilen Thesen von angeblichen Experten und tatsächlichen Besserwissern. Lehnen seriöse Medien ab, informieren sich aus dem Internet, stehen nicht selten Staat und Behörden skeptisch gegenüber. Bleiben in ihrer Blase, bestätigen sich gegenseitig in der Rolle der Außenseiter und im Rechthaben. Sehen sich als Opfer und die Fehler stets bei anderen. Wählen die AfD. Haben einen überdurchschnittlichen CO2-Fußabdruck.

Zitat: „Ihr könnt mir viel erzählen, ich lass mich doch nicht verarschen!“

(rk)

klimaseite.info, 15.07.2024

Während die Welt dabei ist, das bereits 2015 in Paris beschlossene 1,5-Grad-Ziel zu verpassen, weil die Maßnahmen zur CO2-Minderung bei weitem nicht ausreichen, läuft die Suche nach einem Ausweg aus dem Dilemma. Einer steht schon fest: das Abscheiden von CO2 und die anschließende Speicherung in tiefen Gesteinsschichten: das „Carbon Capture and Storage“, kurz CCS. Geeignet sind salzwassergefüllte Porenspeicher, durchlässige Gesteinsschichten in großer Tiefe unter undurchlässigen Schichten, in die das Kohlendioxid mit hohem Druck verpresst wird. Auch ehemalige, inzwischen ausgebeutete Erdgasfelder sind für CCS nutzbar.  

Projekte und erste Erfahrungen

Die Norweger sammeln seit 1996 mit dem Sleipner-Projekt einschlägige Erfahrungen. Hier fördert der   Konzern Equinor wesentlich von Stavager Erdgas mit dem Manko eines zu hohen CO2– Gehalts. Deshalb wird das störende Klimagas vom eigentlichen Brennstoff Methan abgetrennt, abgeschieden und in 800 Metern Tiefe in einer Sandsteinschicht verpresst: rund 1 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr. Beim CCS-Projekt „Porthos“, das 2026 in Betrieb gehen soll, werden 2,5 Mio. Tonnen CO2 über 15 Jahre hinweg an der niederländischen Küste vor Rotterdam in ausgediente Erdgasfelder gepumpt. Bei „Aramis“, ebenfalls in der Nordsee vor Holland, sollen gar 22 Mio. Tonnen CO2 in alten Erdgasfeldern verschwinden

Aber Europa ist bei CCS keineswegs Spitzenreiter. Nordamerika hat schon riesige Kapazitäten aufgebaut, der Nahe Osten und China legen sich ebenfalls CO2-Speicher zu. Das Gros der Projekte ist aber noch in Planung oder hat noch Untersuchungsbedarf, wie die Explorationen von ExxonMobil und Shell vor Malaysia und Indonesien. Auch die Ölkonzerne Chevron, Total, Adnoc sind am Start, teilweise in Kooperation mit staatlichen Akteuren der betreffenden Region.

Der Spiegel fasst in seinem Artikel vom 29.06.2024 die Situation so zusammen: „Die Unternehmen der Öl- und Gasindustrie liefern sich bereits ein globales Wettrennen um die besten Standorte für solche CO2-Lager. Ausgerechnet jene Konzerne, die die Klimakrise mitverursacht und enorme Summen verdient haben, mischen nun wieder mit, wenn es darum geht, mit dem Aufräumen Geld zu verdienen.“

Was bringt es?

Unternehmen und Regierungen haben in den letzten 30 Jahren weltweit schätzungsweise bereits mehr als 83 Mrd. Dollar in CCS-Projekte investiert. “Trotzdem konnten im vergangenen Jahr nur etwa 0,1 Prozent der Klimagasemissionen wieder eingefangen werden“, so Der Spiegel. Der Weltklimarat IPCC nennt die gigantische Zahl von 700 Mrd. Tonnen, die bis 2100 verpresst werden müssen, das 15-fache der weltweiten Emissionen pro Jahr. Laut Internationaler Energieagentur IEA müssen ab 2040 jedes Jahr 1,2 Mrd. Tonnen CO2 gelagert werden, um die Klimaneutralität Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Aktuell ist jedoch nur 4 Prozent der erforderlichen Lager-Kapazität an den insgesamt 45 Standorten verfügbar.

Der europäische Weg

Die von der Europäischen Kommission im Februar vorgelegte Industrial Carbon Management Strategy und der Net Zero Industry Act dienen der EU-weit koordinierten Errichtung von CO2-Speichern. Demnach sollen ab 2030 jährlich 50 Mio. Tonnen CO2 eingelagert werden. Das Aramis-Projekt soll 124 Mio. Euro an EU-Fördermitteln erhalten. „Endlager Nordsee?“ Es schaut ganz so aus, denn die Nordsee hat nach heutigem Kenntnisstand ausreichend Kapazität zur Aufnahme von Kohlendioxid. Bis zu 160 Mrd. Tonnen könnten dort aufgenommen werden.

Bundesminister Habeck, der schon im Februar äußerte, ohne CCS seien die Klimaziele unmöglich zu erreichen, hat eine Strategie zur Speicherung und Nutzung von CO2 entwickelt, die im Mai vom Kabinett beschlossen wurde. Nach diesem Gesetzentwurf ist CCS unter dem Meeresboden außerhalb der Schutzgebiete erlaubt, aber an Land untersagt, um die Verschmutzung von Grundwasser infolge der Bohrungen auszuschließen. Und die Bundesregierung geht damit natürlich auch Konflikten mit Anwohnern aus dem Weg, denn wer will eine CO2-Müllkippe schon vor der Haustür haben, auch wenn die Gefahren lokal ziemlich überschaubar sind? Außerdem soll von Transportnetz von großen CO2-Emittenten, Stahlherstellern, Zementwerken und Gaskraftwerken zu den Lagerstätten aufgebaut werden. Ausgeschlossen von dieser Art der CO2-Entsorgung sind allerdings Kohlekraftwerke, die ja möglichst rasch durch Gaskraftwerke ersetzt werden sollen. Die CO2-Pipelines könnten natürlich Betriebe angebunden werden, die Kohlendioxid als Ausgangsprodukt nutzen, etwa in Verbindung mit Wasserstoff zur Herstellung von nichtfossilen Treibstoffen. Dann wären wir bei der CO2-Nutzung, dem „Carbon Capture and Utilization“, kurz CCU, das in dieser Strategie im gleichem Atemzug mit CCS erwähnt, aber nicht näher ausgeführt wird.   

Risiken und Chancen

Es gibt noch manches Fragezeichen bei CCS, weniger wegen der technischen Machbarkeit, eher wegen den unklaren Kosten und der Langzeitstabilität. Klimaschützer ziehen diese in Zweifel, beteiligte Unternehmen und Geologen wiegeln aber ab. Realistisch betrachtet, geht wohl kein Weg mehr an CCS vorbei, denn zu lange hat die Politik konsequenten Klimaschutz vermieden und neben den „Altlasten“, die schon in der Atmosphäre gelandet sind und für den Treibhauseffekt sorgen, werden aktuell jährlich weltweit etwa 40 Gigatonen CO2 neu emittiert.

Die Politik ist gezwungen, CCS den Weg zu ebnen, um die beschlossenen Klimaziele doch noch irgendwie zu erreichen. Zudem sind bei CCS mittlerweile mächtige Wirtschaftsinteressen im Spiel. Es sind die gleichen Unternehmen, die jahrzehntelang mit der Förderung von Erdöl und Erdgas viel Geld verdient und gleichzeitig aktiv daran gearbeitet haben, die unangenehme Wahrheit vom menschgemachten Klimawandel und den tödlichen Folgen der fossilen Energieträger zu verschleiern. Auf der COP 27 konnte man schon beobachten, wohin die Reise gehen soll: weitere jahrzehntelange Exploration und Förderung von Gas und Öl, von klimaschädlichen Energieträgern, die eigentlich in der Erde bleiben müssten, bei gleichzeitigem Ausbau von erneuerbaren Energien. Dazu kommen jetzt noch die CO2-Endlager. Die letzten beide Geschäftsfelder passen bestens ins Portfolio, weil sie ebenfalls Rendite bringen und für ein positives Image sorgen.

Löst CCS unsere Probleme?

Der Aufbau von CCS-Kapazität sollte eigentlich kein Anlass sein, beim Klimaschutz die Hände in den Schoß zu legen. Genau auf diese Gefahr weisen die Kritiker hin, sie sehen in CCS eine „lebensverlängernde Maßnahme“ für fossile Nutzungen. Sie akzeptieren zwar die Abscheidung bei der Zement- und Betonherstellung, weil sich CO2 hier kaum vermeiden lässt, nicht aber bei Gaskraftwerken. Aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen müssten die Kraftwerke auch 20 Jahre oder länger laufen, so die Befürchtung. Lange Laufzeiten behinderten jedoch den Ausstieg aus dem fossilen Energieträger Erdgas. Zweiter Einwand: Die Abscheidung des CO2 in den Gaskraftwerken reduziert ihren Wirkungsgrad. Die Bundesregierung setzt hingegen weiter auf diesen fossilen Brennstoff für Kraftwerke, mit dem Ziel des raschen Ausstiegs aus der extrem klimaschädlichen Kohleverstromung und in der Hoffnung, Erdgas Zug um Zug durch Wasserstoff ersetzen zu können.

Ist CCS der rettende Strohhalm, die letzte Ausfahrt vor der Klimakatastrophe? Nein, es gibt noch weitere, allerdings extrem unsichere Auswege: verschiedene Techniken des „Geoengineering“ im weiteren Sinn, beispielsweise das Abhalten der Solarstrahlung durch Einbringen von Sulfatpartikeln in die Stratosphäre oder das Düngen der Weltmeere. Um die Erderwärmung zu bremsen, wird in den Thinktanks teilweise mit Technologien jongliert, die vernunftbegabten Menschen den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Dagegen ist CCS noch das kleinere Übel. Ohnehin ist natürlich am effizientesten, die Treibhausgase möglichst nah an den Emittenten aufzufangen, also noch bevor sie in die Atmosphäre gelangen. (rk)

Quellen:

„Endlager Nordsee“, Der Spiegel, 29.06.2024

Eckpunkte der Bundesregierung für eine Carbon Management-Strategie, sowie

Pressemitteilungen vom 26.02.2024 und 29.05.2024, Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, ww.bmwk.de,

„Geoengineering“, Wikipedia, wikipedia.org, abgerufen am 15.07.2024

klimaseite.info, 05.07.2024

Es klingt grotesk. Je mehr wir in Deutschland die negativen Folgen des Klimawandels spüren, der Süddeutschland Anfang Juni teilweise unter Wasser gesetzt, zu Toten und Sachschäden von etwa zwei Mrd. Euro geführt hat, desto stärker scheint der Klimaschutz an Bedeutung zu verlieren. Die betroffenen Menschen entsorgen jetzt kaputten Hausrat und renovieren ihre Häuser. Die Versicherungen nehmen die Schäden auf. Die Regierung stellt Entschädigungszahlungen in Aussicht. Deutschland geht wieder zur Tagesordnung über. Wie schnell eine Klimakatastrophe mental abgehakt, zeigt sich vielleicht auch im Ergebnis der Europawahl, wenige Tage später. Die Partei der Grünen, die wie keine andere in der Regierung für Klimaschutz steht, musste dramatische Verluste verzeichnen, während die AfD, die den Klimawandel ignoriert oder sogar abstreitet, sich über einen Zugewinn freuen konnte. Unter den neuen Mehrheitsverhältnissen im EU-Parlament dürfte es die alte und neue Kommissionspräsidentin von der Leyen schwer haben, weitere Teile des Green Deal umzusetzen.

Fürs Klima verzichten? Eher nicht!

Angesichts dieser dramatischen Bilder aus den überschwemmten Gebieten fragt man sich, was noch geschehen muss, damit Politik und Gesellschaft stärker in die Verantwortung gehen, dem Klimaschutz die notwendige Priorität geben. Denn dieser wesentliche Teil der Vorsorge ging aber in der medialen Aufregung fast unter, im Vergleich zu Maßnahmen der Resilienz wie Hochwasserschutz. Zwar plädiert immer noch eine Mehrheit in der Bevölkerung abstrakt für mehr Klimaschutz, die Notwendigkeit wird also anerkannt, aber wenn es konkret um das eigene Handeln geht, steigen viele aus. Ein Schlaglicht auf die derzeitige Stimmungslage der Nation wirft eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey. „Wären Sie bereit, für mehr Klimaschutz auf einen Teil ihres persönlichen Wohlstands zu verzichten“, wurde da gefragt. Dazu bereit erklärten sich nur 23 Prozent, fast 30 Prozent würden dezidiert „auf nichts verzichten“, der Rest stimmte für „eher nicht“.  Zwei Drittel zeigten eine Tendenz zur Ablehnung oder eine klare Ablehnung von jeglichem Wohlstandsverzicht. Große Unterschiede zeigten sich bei Berücksichtigung der Parteizugehörigkeit. Während bei den Anhängern von Bündnis 90 / Die Grünen 79 Prozent bereit waren, auf persönlichen Wohlstand zu verzichten, war es bei Anhängern von Union und FDP nur jeder achte, bei der AfD gar nur magere 3 Prozent der Befragten, was aber nicht weiter verwundern dürfte. Selbst bei der SPD sprachen sich 40 Prozent dagegen aus. Bei näherer Betrachtung des heiklen Themas „Verzicht“, zeigte sich, dass die Menschen noch am ehesten auf Kreuzfahrten und Flugreisen verzichten würden. Weniger Fleisch bzw. tierische Produkte zu essen oder weniger Auto zu fahren konnten sich die meisten hingegen nicht vorstellen. Etwas mehr zeigten sich verzichtsbereit beim Onlineshopping.

Die Deutschen im Krisenmodus

Krisen und Kriege beanspruchen unsere Aufmerksamkeit. Es kam dick in den letzten Jahren, angefangen mit der Covid 19 Pandemie über Putins Krieg gegen die Ukraine bis zum Gazakrieg. Alte Probleme wie die Folgen des Klimawandel werden verdrängt oder überlagert von den aktuellen.  Janina Mütze von Civey meint, diese Gleichzeitigkeit führe zu einem Gefühl der Ohnmacht und Lähmung. Und wohl auch schnell, wenn es um politische Veränderungen, wie den Abschied von Verbrennungsmotoren oder Gasheizungen geht, zu einem Gefühl der Überforderung.  Wir stecken in einem Dilemma. Die Transformation, Energiewende, Agrarwende, Verkehrswende, Wärmewende müssten möglichst schnell ablaufen, damit das 1,5 Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Aber die Prozesse dauern, weil wir am Status Quo festhalten. Politiker, die den Wähler versprechen, trotz Klimawandels können alles beim Alten bleiben, kommen besser an als diejenigen, die Notwendigkeit des Wandels thematisieren. Wenn sie aktiv die Transformation, die Klima- oder Energiewende betreiben, stoßen sie auf massiven Widerstand. Der trifft oft die Grünen. „Überforderung“ ist noch der harmloseste Vorwurf. Die Partei hat da ein Vermittlungsproblem. „Die Leute da abzuholen, wo stehen sie stehen,“ so ein grünes Credo, klappt auch nicht wirklich, da ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung von seriösen Medien, die den Kontext, das Für und Wider einigermaßen neutral darstellen würden, gar erreicht wird und die Komplexität von Problemstellung und Lösungsvorschlägen viele überfordert.

Wer zahlt den Schaden?

Dass Klimaschutz zunächst kostet, sich am Ende aber auszahlt (Stichwort: Einsparung von Energiekosten), privat wie volkwirtschaftlich (Stichwort: Arbeitsplätze im Bereich von Umwelt- und Klimaschutz), kommt nicht an. Klimaschützer verweisen wohl auf die Tatsache, dass CO2-Minderung deutlich billiger kommt als die Reparatur bzw. Beseitigung von Klimaschäden. Allerdings spüren wir den Wasserschaden an Gebäude oder Auto ganz konkret, nicht aber, dass durch eine Wärmedämmung oder ein Elektroauto weniger Treibhausgase in die Luft gehen. Das bleibt abstrakt, mögen uns die Energieberater auch den Effekt auf die Tonne genau vorrechnen.

Die Hausbesitzer sind Deutschland sind in zu geringem Umfang gegen Klimaschäden versichert, nur etwa jeder zweite hat eine Elementarschadensversicherung. Da ist die Einführung einer Versicherungspflicht eine gute Idee, denn sonst zahlt die Allgemeinheit, also auch die Gruppe der Mieter die Zeche. Allerdings begleichen Elementarschadensversicherungen nur bei Überschwemmungen die Kosten, wenn das Wasser von oben in Erdgeschosse und Keller läuft. Aber bei tagelangen Starkregen steigt mancherorts auch das Grundwasser und dringt von unten in die Keller ein. Diese Schadensfälle sind nicht abgedeckt. Mehr noch: Versicherungen gegen solche Grundwasserschäden sind gar nicht auf dem Markt.

Aus der Klimakrise lernen

Hirnforscher sagen, dass unsere grauen Zellen stärker auf Ereignisse und Gefahren reagieren, die in der nächsten Zeit stattfinden, als auf die künftigen. Für effektive Vorsorge ist es da aber oft zu spät. Ohnehin kann aber niemand genau vorhersagen, ob und wo es im kommenden Jahr zu Überschwemmungen nach Starkregen kommt, nur dass die Wahrscheinlichkeit von Jahr zu Jahr zunimmt. Diese Verdrängungsmechanismen hindern uns allerdings daran, aus der Klimakrise die richtigen Schlüsse zu ziehen. Da hilft es auch wenig, wenn Klimaforscher und Klimaschützer auf die klare Bedrohungslage hinweisen. Durch die Erderwärmung steigt nun mal die Wahrscheinlichkeit von Extremwetter, auch in Mitteleuropa. Je mehr CO2 in die Atmosphäre kommt, desto stärker heizen sich aufgrund des Treibhauseffekts Landmassen und Meere auf. Da warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann als kalte, verdunstet mehr Wasser, das aber auch irgendwann und irgendwo als Regen runtergeht. Anfang Juni waren das innerhalb von zwei Tagen teilweise 100 Liter pro Quadratmeter, Regenmengen die sonst vielleicht in einem regenreichen Monat? fallen. Aufgeladen mit Wasser wurden diese Wolkenmassen wahrscheinlich über dem Mittelmeer, das sich in den letzten Jahren im Jahresmittel ebenfalls erwärmt hat. Es sind diese wissenschaftlich und physikalisch erklärbaren Automatismen, die uns zum Nachdenken und Umsteuern zwingen sollten.

Verdrängung und Kontrollverlust

Die meisten kennen diesen Zusammenhang von Ursache und Wirkung, verdrängen das Wissen aber allzu gerne. Es ist auch schwer begreifbar, dass die Menschheit, wir alle, immer noch in großem Umfang fossile Energieträger fördern, verfeuern, CO2 in die Luft jagen und damit unsere eigene Lebensgrundlage Schritt für Schritt, Zehntelgrad um Zehntelgrad zerstören.  Momentan steuern wir global auf drei Grad Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts zu. Bei diesem Temperaturniveau hätten wir endgültig die Kontrolle über das Geschehen verloren. Die graduellen Veränderungen beim Klima erleichtern natürlich das Verdrängen, auch in Deutschland, wo der Anstieg der Jahresmitteltemperatur schon bei 1,7 Grad Celsius liegt, also 0,5 Grad höher als in globalen Durchschnitt. Die Katastrophe im Ahrtal, Hitzesommer, ausgedehnte Waldbrände, großflächige Überschwemmungen in Süddeutschland: diese Klimakatastrophen führen nicht zum notwendigen Kurswechsel, obwohl Menschen sterben und die Sachschäden in die Milliarden gehen. Wir hoffen immer noch, dass es nicht so schlimm wird oder dass wir zumindest nicht selbst betroffen sind beim nächsten Extremwetter. Diese Verdrängungsmechanismen hindern uns allerdings daran, aus der Klimakrise die richtigen Schlüsse zu ziehen.          

Normalwetter? Extremwetter?

Wir Deutsche leben zwar noch in gemäßigten Breiten, aber spüren inzwischen zunehmend, dass das Wetter stärker schwankt und zu Extremen neigt: eine wochenlange Kälteperiode im April und Mai, dann der Starkregen Anfang Juni mit teilweise über 100 Litern pro m² innerhalb 24 Stunden. Dazwischen wieder heiße Tage. Temperatursprünge um 10 Grad oder mehr innerhalb von zwei Tagen scheinen sich zu häufen. Auf die Frage „Ist das noch Wetter, oder schon Klima?“, lautet die richtige Antwort: beides! Der Klimawandel prägt die aktuelle Wetterlage mal weniger, mal mehr.  Obwohl der Wetterbericht immer genauer wird, die Apps und Visualisierungen immer besser werden, ist die Planung von Veranstaltungen oder Tagesausflügen zunehmend mit Unsicherheiten behaftet. Die Jahre 2018 bis 2020 und 2022 waren zu trocken, 2023 war zu nass. So auch momentan, denn Anfang Juli meldete der Deutschen Wetterdienst einen neuen Regenrekord für die vergangenen 12 Monate. Überall auf der Welt purzeln alte Wetterrekorde. Was gestern galt, gilt heute nicht mehr. Wir werden noch manche Überraschung erleben, so viel steht fest.

Hinsichtlich der Frage in der Überschrift fällt Optimismus aus den genannten Gründen schwer. Die Debatte scheint sich momentan vom Klimaschutz zur Klimaanpassung, zur Adaption an den Klimawandel zu verlagern. Der Bund hat mit dem Klimaanpassungsgesetz den Rahmen für Maßnahmen auf Ebene von Ländern und Kommunen geschaffen. Die beschweren sich allerdings über fehlende Finanzierung von Seiten der Bundesregierung trotz zusätzlicher Aufgaben. (rk)        

Quellen:

„Verzichten fürs Klima, nein danke“, Kerstin Bund, Süddeutsche Zeitung, 27.06.2024

Websites des Deutschen Wetterdienstes (DWD), www.dwd.de und des Umweltbundesamts www.umweltbundesamt.de

klimaseite.info, 31.03.2024

Letztes Frühjahr, als Bundeswirtschaftsminister Habeck aus Sicht von Boulevardpresse und Opposition mit dem „Heizhammer“ drohte, der dann im Bundestag zum „Hämmerchen“ geschrumpft wurde, bestimmte bald ein forscher Gedanke die Debatte. Im Sinne der oft genannten, aber selten hinterfragten „Technologieoffenheit“ dürfe der Weg zur Klimaneutralität in den Heizungskellern nicht bloß über Wärmepumpen oder Holzheizungen gehen, sondern künftig auch über Wasserstoff (H2). Es klang bestechend einfach: Wasserstoff durch Elektrolyse aus Ökostrom herstellen, mehr Wasserstoff ins Erdgasnetz einspeisen, Gasheizungen für das neue Gasgemisch ertüchtigen, fertig! Jetzt, zwei Jahre später, bieten große Heizkessel-Hersteller wie Viessmann oder Wolf Gasheizungen mit dem Label „H2-ready“ mit max. 20 Prozent H2-Beimischung an. Die Wasserstoff-Beheizung von Gebäude hat als Option Eingang gefunden in zwei Gesetze, die am 1.1.2024 in Kraft getreten sind: das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und das Wärmeplanungsgesetz (WPG).

Beim Wasserstoff, auch als „Champagner der Energiewende“ tituliert, wurden falsche Erwartungen geweckt. Ohnehin kann längst nicht alles, was technisch machbar ist, auf dem Markt arrivieren. Auch der PR-Zusatz „Innovation“, auf die Politik ebenso herumreitet wie auf der Technologieoffenheit, hilft da bedingt weiter. Man denke nur an die E-Autos: Nachdem die Hemmnisse wie „mangelnde Reichweite“ oder „zu wenige Ladestellen“ allmählich in den Hintergrund treten, stellt der zu hohe Preis der E-Autos momentan das Haupthindernis für die Marktdurchdringung dar. Ein ganz ähnliches Problem tut sich beim Wasserstoff auf. Es kann auch gar nicht anders sein. Wasserstoff, erst recht, wenn er grün sein soll, wird aus mehreren Gründen rar und teuer sein, ergo keine Rolle auf dem Massenmarkt, ob bei Hausheizungen oder bei Pkw-Motoren spielen.

Gas mit Tücken

Das kleine Wasserstoff-Molekül führt zu einem leicht flüchtigen Gas mit (unter Normalbedingungen) geringer Energiedichte, das deshalb bei Lagerung und Transport komprimiert werden muss. Erst bei Abkühlung auf minus 253 Grad Celsius wird es flüssig, hat dann aber nur ein Achtel der Energiedichte von Benzin. Kompression und Abkühlung erfordern Energieaufwand, zehren also letztlich an der Nutzenergie. Aufgrund der Eigenschaften des Gases müssen Behälter, Pipelines und Leitungen sehr dicht sein. Hinzu kommt die Explosionsgefahr in Reaktion mit dem Sauerstoff („Knallgasreaktion“). Die physikalisch-chemische Beschaffenheit von H2 macht ihn schwieriger zu handeln im Vergleich zum Methan als wesentlichem Bestandteil von Erdgas.

Große Elektrolyseure spalten Wasser mit einem Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Aber Zwischenspeicherung, Transport zu Einsatzort oder Abgabestelle (H2-Tankstelle etc.) bedeuten weitere Energieverluste. Ebenso, wenn der Wasserstoff nur verheizt wird (anstatt ihn in Kraft-Wärme-Kopplung parallel zur Stromerzeugung zu nutzen); erst recht bei erneuter Umwandlung, falls er in einer Brennstoffzelle eines Fahrzeugs verstromt wird, um einen Elektromotor anzutreiben. Von der Quelle bis zum Vortrieb auf der Straße („Well to Wheel“) ist dann bei diesen Fahrzeugen der Wirkungsgrad auf unter 30 Prozent gesunken. 

Zur Klimaneutralität passt ohnehin nur grüner, mit Ökostrom erzeugtes H2. Davon sind wir weit entfernt, denn über 90 Prozent des Wasserstoffs wird hierzulande aus Erdgas erzeugt, ist also „grauer“ Wasserstoff. Seine miese CO2-Bilanz lässt sich noch verbessern durch Abscheidung des bei der Dampfreformierung entstehenden CO2. Dann ist von „blauem“ Wasserstoff die Rede. H2 dieser Qualität ist im Gebäudeenergiegesetz ebenfalls als Heizungs-Option zugelassen. Aus Sicht des Klimaschutzes ist dieser Brennstoff aber suboptimal.

Zudem ist höchst fraglich, ob Wasserstoff überhaupt jedes Haus erreichen wird. Dann müssten alle Kessel an diesem Ast des Verteilnetzes bereits H2-ready sein und mit dem entsprechenden Mischungsverhältnis Methan/H2 zurechtkommen. In der Praxis dürfte das schwierig werden. Der synchrone Einbau ist nur in Neubaugebieten denkbar, nicht im Bestandsquartieren, denn für so ein entsprechendes Austauschprogramm gibt es keine gesetzliche Grundlage. Die Bundesregierung verzichtet im GEG sogar darauf, funktionierende Öl- und Gaskessel im Bestand zu verbieten, denn das Verbot trifft nur Uralt-Modelle ab 30 Jahren Laufzeit in einer bestimmten Leistungsklasse. Die Hauseigentümer ihrerseits werden sich nur um diesen neuen Brennstoff bemühen, wenn er auch bezahlbar und verfügbar ist. Beide Kriterien sind mit dicken Fragezeichen versehen.  

Das Wasserstoff-Netz kommt

Eine Wasserstoff-Infrastruktur ist im Aufbau, wird aber erkennbar auf Großabnehmer ausgerichtet. Geplant ein Netz mit 9.700 km Länge, wobei gut 60 Prozent der Leitungen mit dem Erdgasnetz identisch sein sollen. Der Bund will die Kosten in Höhe von 19,8 Mrd. Euro vorstrecken. Die Netzbetreiber würden dann Nutzungsentgelte von den Abnehmern kassieren und den Vorschuss peu a peu an den Staat zurückzahlen. Als Abnehmer kommen vorrangig Stahlhersteller, chemische Industrie und Heizkraftwerke in Frage. Bei der Stahlproduktion ist aktuell der größte positive CO2-Effekt zu erkennen. Denn Hochofenkoks als Reduktionsmittel durch H2 zu ersetzen, bringt pro Tonne Stahl eine CO2-Einsparung von 25 Tonnen CO2. Bereits nächstes Jahr soll erstmalig Wasserstoff durch das Netz fließen.                

Die Bundesregierung rechnet mit einem H2-Bedarf von 95 – 130 Terrawattstunden für 2030. Davon könnten nur 30 bis 50 Prozent in Deutschland hergestellt werden, der Rest sei zu importieren, etwa von Nordafrika via Pipeline über Italien oder via Tankschiff übers Meer; dann nicht als reiner Wasserstoff, sondern wegen besserer Transportfähigkeit an Ammoniak (NH3) gebunden. Nach Angaben des Nationalen Wasserstoffrats NWR sind zur Bedarfsdeckung 23 bis 39 Gigawatt (GW) Elektrolysekapazität im In- oder Ausland notwendig, also deutlich mehr als die von der Bundesregierung für 2030 angepeilten 10 GW in Deutschland. Letztes Jahr waren erst 80 Megawatt installiert.

Das Interesse der Gasversorger

Der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur kommt den Interessen der Gasversorger sehr entgegen. Denn der schrittweise Abschied von den fossilen Energieträgern bedeutet für sie einen kontinuierlichen Einbruch des Geschäfts. Das riesige Gasverteilnetz von 500.000 km Länge soll aus ihrer Sicht natürlich weiterhin genutzt werden, nicht zum „stranded investment“ werden. Gaskonzerne und der Branchenverband BDEW wollen den klimaschädlichen Brennstoff Erdgas zukunftsfit zu machen, indem sie auf die Beimischung von Wasserstoff und den Ersatz von fossilem Erdgas durch chemisch identische Biomethan hinarbeiten. Technisch gesehen, ist das keine Hexerei, aber nüchtern betrachtet, werden diese Heizungen wohl keine große Rolle in den Heizungskellern spielen und sicher eine geringere als die zu Unrecht geschmähten Wärmepumpen.    

Eine Studie des Norddeutschen Reallabors überprüfte verschiedene Heizungstechniken vor dem Hintergrund der Ausbaupläne für eine Wasserstoff-Infrastruktur und kam dabei so folgendem Ergebnis: “Der Einsatz von Wasserstoff für die dezentrale Wärmebereitstellung in Gebäuden ist im Regelfall nicht wirtschaftlich.“  

Dennoch versucht die Gaslobby zusammen mit kommunalen Unternehmen und deren Verband VKU, genau das glaubhaft zu machen. Wasserstoff soll die momentane Ausdehnung des Gasverteilnetzes und den Absatz von Erdgas sichern. Die Pläne der Bundesregierung beinhalten allerdings ein Wasserstoff-Fernleitungsnetz für Großabnehmer; Gebäudeheizungen werden nur nachrangig behandelt. 2023 war fast die Hälfte der Wohnungen noch mit Gas beheizt. Obwohl aus Sicht des Klimaschutzes Gas- und Ölheizungen Auslaufmodelle darstellen sollten, wurden letztes ca. 1,3 Mio. Gasheizungen neu eingebaut: im Vertrauen darauf, dass auch in 20, 30 Jahren noch genügend Erdgas importiert werden kann und dass der Brennstoff bezahlbar bleibt? (rk)   

Quellen:

„NWR: 2030 bis zu 90 Terawattstunden an grünem Wasserstoff benötigt“, Roland Ernst, pv-magazine.de, 15.02.2023

„Bund plant 9.700 Kilometer Wasserstoff-Kernnetz“, tagesschau.de, 14.11.2023

„Grüner Wasserstoff für die Energiewende. Teil 2: Der Gebäudesektor“, Norddeutsches Reallabor, Hamburg, Februar 2023

„Stellungnahme zur Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie“, Nationaler Wasserstoffrat, 24.07.2023

klimaseite.info, 24.03.2024

Eine Studie des österreichischen Umweltbundesamts (1) im Auftrag von NABU, BUND und des Verbands „Die Güterbahnen“ beleuchtet die deutsche Verkehrspolitik und das zentrale Instrument des Bundesverkehrswegeplans aus dem Jahr 2016 mit Zeithorizont bis 2030. Er ist immer noch aktuell, soll aber alle fünf Jahr überprüft und angepasst werden. Eigentlich wäre diese Prüfung 2021 fällig gewesen, das soll jetzt im Sommer 2024 passieren, wie das zuständige Bundesverkehrsministerium vermeldet, also drei Jahre zu spät.

Aber schon bei den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr letzten Jahres wurde klar, wohin die Reise geht. FDP und SPD setzten den Bau von 144 Autobahnkilometern durch, die auf Wunsch der Grünen mit Photovoltaik-Anlagen versehen bzw. verziert werden sollen, damit der grüne Koalitionspartner auch einen Erfolg vorzuweisen hat. Den verkehrspolitischen Fortschritt, dass die Planungen schneller gehen und künftig mehr Geld in die Schiene fließen soll, konnten sich dann alle drei Parteien an das Revers heften.    

Die Studie geht vor allem der Frage nach, ob und inwieweit der alte Plan noch kompatibel mit den Klimaschutzzielen auf deutscher und EU-Ebene ist. Denn mehr noch als die Gebäude, ist der Verkehrsbereich das Sorgenkind des Klimaschutzes, denn hier wurden nun dreimal in Folge, 2021 bis 2023 die Obergrenzen des Klimaschutzgesetzes überschritten.

Drückendes Übergewicht

Die Autoren stellen ein Missverhältnis bei Ausbau von Straße und Schiene seit 2016 fest. Während 1.130 km Fernstraßen neu oder ausgebaut wurden, wurden nur 139 Schienenkilometer fertiggestellt oder zumindest elektrifiziert. Im Bundesverkehrswegeplan, also bei bereits auf der Stufe der Planung, entfallen 49 % der Investitionen auf die Straße, 42 % auf die Schiene und 9 % auf Wasserwege. 40,5 Mrd. Euro tatsächlich getätigten Investitionen von 2017 bis 2022 im Bereich der Straße stehen 30,1 Mrd. Euro zugunsten der Schiene gegenüber.

Anlässlich der Veröffentlichung der Studie forderten die Auftraggeber ein verkehrspolitisches Umdenken, von den umwelt- und klimapolitischen Zielen her, statt einfach die aktuellen Personenkilometer oder Fahrten pro Transportmittel auf 2030 oder 2040 hochzurechnen. Es stimmt schon, auch 2022 waren rund viermal mehr Menschen in Deutschland unterwegs als mit Bahn, Bus oder Tram. Aber geht es darum, den Status Quo zu zementieren oder die Mobilität umwelt- und menschenfreundlicher zu gestalten? So logisch „Planen nach Bedarf“ auch klingen mag, eine Verkehrsverlagerung, der Umstieg vom Auto auf Bahnen und Busse, Fahrrad und Fußverkehr sind so nicht machbar, noch weniger eine „Verkehrswende“. Der Verein „Die Güterbahnen“ bezeichnete die Verkehrsprognosen aus dem Hause Wissing als unrealistisch. Die langfristige Planung laufe auf eine „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ hinaus. Dieses konservative Denken prägt seit Jahrzehnten die Verkehrspolitik und musste zwangsläufig zu der Dominanz des Autos und zur Misere der Schiene führen, wie wir es heute erleben. In nackten Zahlen ausgedrückt:

13.192 km Autobahn, 37.826 km Bundesstraßen, 86.862 km Landes- und Staatsstraßen und 91.841 km Kreisstraßen stehen 33.399 Kilometern des Schienennetzes gegenüber (von den fast 400.000 km innerörtlichen Straßen gar nicht zu reden).

Spurwechsel nötig

Der Bahn ist mehr Geld zugesagt und sie investiert nun auch verstärkt in das marode Netz. Aber um den Rückstau aufzuholen, braucht es Jahrzehnte. Mindestens bis 2030 müssen wir uns wohl auf eine Bahn einstellen, die weit hinter den Standards der Nachbarländer zurückbleibt. Und dieser Vorsprung kommt nicht von ungefähr, wenn man die Investitionen verschiedener Länder für die Eisenbahn pro Einwohner im Jahr 2022 miteinander vergleicht: Deutschland 114 Euro, Österreich 319 Euro, Tschechien 171 Euro, Schweiz 450 Euro, Niederlande 143 Euro.

Auch bei der Straße gibt es einen Sanierungsstau, denn Tausende von Brücken müssen renoviert werden. Beim jetzigen Bautempo wird das mindestens 20 Jahr dauern, wobei in dieser Zeit wieder neue fällig werden. Angesichts dieser misslichen Situation wäre es klüger, Neubauten bei Fernstraßen generell fallen zu lassen und stattdessen die Mittel auf die Sanierung der Brücken zu konzentrieren. Wenn die Bundesregierung wirklich eine Verkehrswende und eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene will, müsste sie darüber hinaus aber auch deutlich mehr Geld für die Bahn bereitstellen. Der Bundesverkehrsminister der FDP, Volker Wissing, scheint jedoch den Kurs seiner Vorgänger von der CSU, der Herren Ramsauer, Dobrindt und Scheuer, verfolgen zu wollen. So sind die Klimaziele natürlich nicht zu erreichen, zumal auch die „Antriebswende“ als Minimalanforderung, also der Umstieg vom Verbrennungs- zum Elektromotor, nicht recht vorankommt.  (rk)

Quellen:

Studie „Zukunftsfeste Verkehrsinfrastrukturplanung“, Danzinger/Glatt/Heinfellner/Satrapa/Svehla-Stix, Umweltbundesamt, Wien 2024 (1)

„Erkennbar wirklichkeitsfern und verzerrt“, tagesschau.de, 17.05.2023

„Stockender Verkehr“, Vivien Timmler, Süddeutsche Zeitung, 19.03.2024            

„2,4 Mrd. Euro Verlust – na und?“, Vivien Timmler, Süddeutsche Zeitung, 22.03.2024

„Verschoben auf Sankt Nimmerlein“, Serafin Reiber, Der Spiegel, 18.03.2024

Statistisches Bundesamt, www.destatis.de

klimaseite.info, 13.03.2024

Die Reise von Bundeswirtschaftsminister Habeck Anfang Januar letzten Jahres nach Norwegen war bereits als Signal zu verstehen, besuchte er doch eine Zementfabrik, bei der ein Teil des in der Produktion entstehenden Kohlendioxids im Meeresboden vor Norwegen gespeichert werden soll: das sogenannte „Carbon Capture and Storage“ (CCS).   

Der Inhalt des Gesetzes

Habeck hat im Februar einen Gesetzesentwurf zur Lagerung und Nutzung von CO2 eingebracht. Auch in Deutschland soll -anders als bisher- künftig die Verpressung und Lagerung von CO2 unter dem Meeresboden mit Ausnahme von Meeresschutzgebieten möglich sein. Als mögliche CO2-Quellen werden die Zementherstellung, die Müllverbrennung und Gaskraftwerke sind genannt, Kohlekraftwerke sind ausgeschlossen. Außerdem ermöglicht das Gesetz den Transport von den Verursachern zu den ehemaligen Lagerstätten von Öl- und Erdgas per Pipeline. Dazu muss ein deutschlandweites Rohrnetz für den Transport von CO2 zur Nordsee aufgebaut werden, samt der notwendigen Infrastruktur (Anlagen zur CO2-Abscheidung, Pumpen zum Transport und Verpressung, Verdichterstationen, etc.). Außer Wasserstoff soll künftig auch CO2 im Erdgasnetz transportiert werden dürfen. Das Gesetz verfolgt ebenfalls den Zweck, einen Rahmen für Investoren in ein CO2-Transport- und Speichersystem zu bilden.

Die CO2-Entsorgung markiert einen Umbruch

Dieser Bruch mit der bisher geübten Zurückhaltung, der Aufbau eines Entsorgungswegs für CO2, das sonst unmittelbar in die Atmosphäre gelangen würde, bedeutet durchaus eine Art „Zeitenwende“ in der deutschen Klimapolitik. Sie ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass in bestimmten Branche CO2-Vermeidung sehr schwierig ist, dazu zählt die Produktion von Zement als wesentlicher Bestandteil des Betons. Vor allem aber geht die CO2-Minderung insgesamt zu langsam voran. Die im Klimaschutzgesetz verankerten Klimaschutzziele sind in Gefahr, die für 2045 angestrebte Klimaneutralität ist mit den bisherigen Maßnahmen und Programmen kaum zu erreichen.

Kritik kam von etlichen Umweltverbänden, die unter anderem Sicherheitsbedenken geltend machten.  Aber Geologen halten die geplante Verpressung und Lagerung in die Poren von Bundsandstein, mehrere Kilometer unter einer Salz- oder Tonschicht in der Nordsee, für sicherer als die in ehemaligen Erdgaslagerstätten. In ihnen war das fossile Gas zwar über Jahrtausende eingeschlossen, aber der „Deckel“ darüber ist durch die zahlreichen alten Bohrlöcher nicht mehr vollständig dicht. Insofern greift die Kritik der Umweltverbände an dieser Stelle nicht wirklich. Kommentare, die sich gegen die notorischen „Bedenkenträger“ der Umweltszene richten (siehe Marco Ebers in: Der Spiegel vom 2.3.2024), sind dennoch insofern deplatziert, als das zentrale Klimaschutz-Hindernis bei den Gegnern einer Klimawende  zu suchen ist, die in der Koalition, im Parlament und in den Medien Schritte zur Transformation verzögern oder blockieren, sei es bei den Heizungen, beim Ausbau der Windkraft, bei energieeffizienten Bauen, im Verkehrssektor oder bei der Landwirtschaft (Stichwort: Agrardiesel). 

Die eigentliche Gefahr dieser Technik liegt in der Eigendynamik, die sie entfalten wird. Die Warnungen vor dem Einstieg der Umweltverbände in CCS sind insofern berechtigt, als nach den bekannten Automatismen der politischen Psychologie aus dem Notausgang, dessen bloßen Existenz schon für Entspannung sorgt, am Ende ein Scheunentor für Jedes und Alles wird. Im Klartext: CCS-Strukturen reduzieren den Handlungsdruck bei der CO2-Minderung und Vermeidung.        

Die Kosten für das CO2-Netz und notwendige Infrastruktur müssen größtenteils die Industrie und die Entsorgungsunternehmen tragen, im Gesetzesentwurf ist von rund 9 Mrd. Euro die Rede. Neben dem finanziellen Aufwand sind natürlich auch die „grauen“ Emissionen aus Herstellung und Transport der notwendigen Materialien zu bedenken, die bereits wieder einen Teil der CO2-Entlastung zunichtemachen.

Die Versäumnisse der Vergangenheit holen uns ein

Nüchtern betrachtet führt wegen der Versäumnisse der Vergangenheit jedoch kein Weg am Einstieg in diese Technik vorbei. Eine klimaneutrale Zement- und Betonherstellung ist kaum zu erreichen. Aber auch andere Industrien, wie die Stahlproduktion, kommen zu langsam voran bei der Dekarbonisierung. Bei den Emissionssektoren Verkehr und Gebäude sieht es noch deutlich schlechter aus im Vergleich zur Wirtschaft. Seit Jahrzehnten wird Jahr um Jahr zu viel CO2 in die Atmosphäre entlassen werden. Wir bewegen uns auf einem viel zu hohen Energie- und Emissionslevel. Die Konsumgewohnheiten haben sich verfestigt und behindern einen schnellen Umbruch. Neue Erdöl- und Erdgasquellen werden erschlossen, fossile Energieträger weiter verbrannt. Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist wohl nicht mehr zu erreichen, denn die Welt steuert gerade auf etwa drei Grad plus zu. Beim derzeitigen Tempo der Transformation muss auch die Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts ein frommer Wunsch bleiben. Vor diesem Hintergrund leuchtet Habecks Aussage, er sehe das Treibhausgas lieber unter dem Meeresboden als in der Atmosphäre natürlich ein.

Da in dieser misslichen Situation CCS einen Ausweg aus dem Dilemma bietet, haben eine Reihe von Ländern bereits vor Deutschland reagiert. Dänemark stieg letztes Jahr in das CCS ein, Norwegen, USA, Kanada und Australien sind länger dabei, einige andere wie Frankreich, Großbritannien oder Niederlande wollen folgen.

Wie beim Müll ist auch hier die Vermeidung der bessere Weg als die Entsorgung. Aber weil auch in Deutschland der Fortschritt eine Schnecke ist, muss der Weg der Entsorgung jetzt wohl beschritten werden. Die Erfassung großer Mengen dieses Klimagases ermöglicht auch die Nutzung in großem Maßstab, etwa zur Herstellung von synthetischen Treibstoffen mit Beteilung von Wasserstoff. In diesem Fall ist von Carbon Capture and Utilization (CCU) die Rede. Aber wegen der sehr energie- und kostenaufwändigen Verfahren wird das abgetrennte CO2 wohl größtenteils entsorgt und nicht wiederwendet werden.   

CO2-Pipelines von Gaskraftwerken zur Nordsee

Dass Gaskraftwerke ihr CO2 ebenfalls per CCS entsorgen dürfen, was die geplante Umstellung auf Wasserstoff nicht gerade beschleunigen dürfte, ist ein weiterer Schwachpunkt dieses Gesetzes.  

Die Argumentation der Bundesregierung dazu geht in etwa so: Sie fördert aktuell den Neubau von Gaskraftwerken – sie gelten als Übergangstechnologie- die später auf Wasserstoff umgestellt werden. Für „Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern oder Biomasse wird die Anwendung von CCS/CCU im Sinne eines technologieoffenen Übergangs zu einem klimaneutralen Stromsystem nicht untersagt, aber jedenfalls bei fossilen Energieträgern nicht gefördert. Ob CCS unter diesen Bedingungen im Stromsektor überhaupt zur Anwendung kommt, entscheidet sich an den Marktbedingungen.“

Fossiles Erdgas und kein Ende

Die Bundesregierung verweist an dieser Stelle also auf die Marktmechanismen, nach denen sich die Betreiber von Gaskraftwerken künftig zwischen den Kosten für CCS, denen des Freikaufens im EU-Emissionshandel (EU-ETS) und denen der Umstellung auf Wasserstoff als Brennstoff entscheiden können. Aber zweifellos gibt der Bund bei den Gaskraftwerken ein Stück weit das Ruder aus der Hand, obwohl die anvisierte Ablösung von fossilem Erdgas durch Wasserstoff in weiter Ferne liegt. Habeck peilt weiterhin der Kohleausstieg für 2030 an, aber die Zeit des fossilen Erdgases ist auch Deutschland noch lange nicht vorbei. Das zeigt dieses, für die Energiewirtschaft maßgebliche Gesetz, ebenso wie das Gebäudeenergiegesetz und das Wärmeplanungsgesetz mit ihren seit Anfang des Jahres geltenden Regelungen für Heizungsanlagen und Wärmenetze. Hier wie da scheint die Gaslobby mal wieder ganze Arbeit geleistet zu haben. Dies bedeutet wiederum eine beständige und fortbestehende Abhängigkeit von klima- und umweltschädlichen Flüssiggasimporten.      

Die Aussichten für den Klimaschutz in Deutschland insgesamt sind nicht gerade rosig. Angesichts der Umfragewerte ist derzeit fraglich, ob Habeck und die Grünen nach der nächsten Bundestagswahl weiterregieren können. In Koalitionen ohne die Grünen ist eine konsequente Klimaschutzpolitik allerdings noch weniger zu erwarten.  (rk)

Quellen:

Gesetzesentwurf und FAQ zu CCS und CCU, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), www.bmwk.de, 29.02.2024

CO2 speichern wie in Norwegen?, www.tagesschau.de, 05.01.2023

Ja zur Speicherlösung, Marco Evers, Der Spiegel, 02.03.2024

klimaseite.info, 21.03.2024

Gestiegene Kreditzinsen, höhere Baupreise, Fachkräftemangel: All das hat den Wohnungsbau fast zum Erliegen gebracht.  Weder der Bund noch der Freistaat Bayern können ihre Zielzahlen bei den Fertigstellungen auch nur annährend erfüllen. Dabei steigt die Nachfrage gerade nach bezahlbaren Wohnungen, weil Jahr für Jahr mehr mit öffentlichen Geldern geförderte Wohnungen aus der Sozialbindung fallen als neu entstehen. Das Thema birgt sozialen Sprengstoff.

Für den Klimaschutz ist eine Stagnation beim Baugeschehen freilich keine Katastrophe, denn ein gutes Drittel der Treibhausgasemissionen in der EU entfallen auf Gebäude. In Deutschland hat der Emissionssektor Gebäude 2023 bereits das dritte Mal in Folge die Obergrenzen des Klimaschutzgesetzes überschritten: zu viel CO2 aus dem laufenden Gebäudebetrieb für Heizung und Warmwasserbereitung. Hier gibt es neue gesetzliche Grundlagen auf Ebene von EU und Bund. Seit Anfang Januar 2024 sind das Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit Regelungen zur Energieeffizienz von Gebäuden und das Wärmeplanungsgesetz (WLP) zur Planung von Wärmenetzen in Kraft.

Energieeffizienz von Gebäuden

Letztes Jahr geisterte das von Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) vorgestellte GEG noch als „Heizungsgesetz“ monatelang durch die Medien, regelmäßig versehen mit dem Adjektiv „umstritten“. Positiv festzuhalten ist aber, dass Habeck, der ja auch Klimaschutzminister ist, damit die überfällige Wärmewende eingeleitet hat. Überfällig insofern, als bei den Heizungen immer noch die fossilen Energieträger Heizöl und Erdgas dominieren und ein Fünftel der Kessel inzwischen technisch völlig veraltet ist. Aber nicht wenige Menschen halten gewohnheitsmäßig daran fest, ähnlich wie an den Pkw mit Verbrennungsmotor. Das GEG verlangt nur einen Kesseltausch bei von 1991 eingebauten bzw. 30 Jahre alten Geräten mit Konstanttemperatur. Die Niedrigtemperaturtechnik der zweiten und die Brennwerttechnik der dritten Generation von Heizungen sind also nicht betroffen. Die allermeisten Geräte können also weiterlaufen. Zahlreiche Ausnahmen und Übergangsregelungen entschärfen das Gesetz zusätzlich. Als endgültiger Ausstiegszeitpunkt aus Erdgas und Erdöl ist der 1.1.2045 genannt. Nimmt man die großzügige finanzielle Förderung dazu, ist die oft gehörte Kritik, Habeck überfordere damit Haus- und Wohnungseigentümer, nicht nachvollziehbar.   

Bei Neubauten in Neubaugebieten (nicht in Baulücken!) muss die Wärme allerdings zu 65 % aus erneuerbaren Quellen oder „unvermeidbarer Abwärme“ stammen. Eine Vereinbarung mit einem Energieversorger über künftige Belieferung mit Fernwärme ermöglicht auch fossile Übergangslösungen. Ein weiterer zentraler Punkt des GEG ist der energetische Standard des Gebäudes, also die Qualität des Wärmeschutzes der Außenhülle. Die aktuelle Novelle des GEG fußt auf der ersten Fassung vom November 2020, die bereits die Senkung des Primärenergiebedarfs von 75 % des Referenzhauses auf 55 % enthält.

Klimaneutrale Wärmenetze

Das Wärmeplanungsgesetz (WPG) in Verantwortung von Bundesbauministerin Geywitz (SPD) regelt die Planung, den Ausbau von Wärmenetzen und die Art der Wärme. Kommunen über 100.000 Einwohner müssen bis Mitte 2026 eine Wärmeplanung haben, darunter ist bis Mitte 2028 Zeit. Bei Kommunen weniger als 10.000 Einwohnern kann das im WPG festgelegte Verfahren zur Wärmeplanung vereinfacht werden. Dabei müssen Gebiete für dezentrale Versorgung, also für Einzelheizungen, und solche für Wärmenetze (Fernwärme und Erdgas) ausgewiesen werden. Ziel dieses Gesetzes ist, die Wärmenetze ab 2030 zu 50 %, ab 2040 zu 80 % aus erneuerbaren Quellen oder mit unvermeidbarer Abwärme zu speisen. Auch hier ist das Ende der fossilen Wärme auf Anfang 2045 festgelegt. WPG und GEG zielen also im Sinne des Klimaschutzes auf eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung von Gebäuden ab. 

Die EU setzt den Rahmen

Für diese nationalen Gesetze ist die Gebäuderichtlinie Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) der EU maßgeblich. Ziel ist, den Primärenergieverbrauch bei Wohngebäude bis 2030 um 16 % verglichen mit 2020 zu senken. Ursprünglich sollten Wohnhäuser mit dem höchsten Wärmeverbrauch schrittweise bis mindestens Energieeffizienzklasse F saniert werden. In Deutschland haben etwa 2 Mio. Gebäude die schlechtere G-Klasse. Dieser „Sanierungszwang“ wurde allerdings verhindert, auch mit deutschem Zutun, wie Bundesbauministerin Geywitz (SPD) stolz vermeldet hat. Eine Sanierungspflicht gibt es nur für Nichtwohngebäude. Sie schrittweise energetisch zu ertüchtigen. Auch auf Neubauten der öffentlichen Hand kommen höhere Anforderungen zu. Sie sollen ab 2028 gar keine Treibhausgase mehr verursachen dürfen („Zero Emission Buildings“). Bis 2033 müssen 16 % aller Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz in der EU saniert sein.

Und was ist mit dem Wohnungsbau?

Nochmal auf Anfang: Keine Wohnungen zu bauen, ist natürlich nicht der richtige Weg zur CO2-Minderung. Es geht vielmehr darum, neue Gebäude gut zu dämmen, energieeffiziente Heizungen und Kühlungen einzubauen, und den so reduzierten Energiebedarf weitgehend durch erneuerbare Energien zu decken. GEG und WPG zeichnen den Weg dazu vor. Aber damit ist weder der Klimaschutz noch der Wohnungsbau als Problem vom Tisch. 

Kann rege Bautätigkeit der öffentlichen Hand überhaupt die Wohnungsnot in attraktiven Städten beseitigen? Nein, schon deshalb nicht, weil in Städten wie München kaum noch unbebauter Grund in Besitz der Stadt zur Verfügung steht. Abgesehen davon fehlt es oft an Geld und Personal in den Behörden und Wohnungsbaugesellschaften von Ländern und Kommunen. Statt sich unerfüllbare Neubauziele zu setzen, sollten Länder und Städte keinesfalls eigene Wohngebäude verscherbeln, wie in der Vergangenheit zu oft geschehen. Und eigenen Grund nur zur Bebauung überlassen mit der Auflage eines hohen Anteils von Sozialwohnungen plus möglichst langjähriger Sozialbindung. Bei Privatgrund kann zumindest ein gewisser Anteil nach den Beispiel SOBON der Stadt München für Sozialwohnungen reserviert werden, wenn die Stadtspitze dies Bauträgern und der Immobilienbranche abverlangt. „Bauen, bauen, bauen“ als stereotype Antwort auf die Wohnungsmisere ist jedenfalls zu wenig.

Neubau contra Sanierung?

Ein ganzheitlicher Ansatz setzt schon früher im Planungsprozess ein. Das Stichwort ist hier: kompaktes Bauen. Aber der Wohnflächenbedarf pro Person steigt seit Jahren und der Wunsch nach Häuschen mit Garten ist ungebrochen. Das bedeutet aber: überdurchschnittliches zu beheizendes Raumvolumen, ergo höhere CO2-Emissionen pro Person. Hinzu kommt, dass die Einbindung von Einfamilienhäusern (EFH) in Netze für Fernwärme, Wasser, Abwasser, ÖPNV oft nicht wirtschaftlich darstellbar ist. Die Kommunen wären also gut beraten, wenn sie auf die Ausweisung von Baugebieten für EFH verzichten würden.

Ohnehin müssen es nicht immer Neubauten sein, denn oft stehen Wohnhäuser oder Geschäftsgebäude leer, die nach Renovierung neu genutzt werden könnten. Dies ist jedoch nicht automatisch der Königsweg, denn neben dem Kostenaufwand steigen auch die CO2-Emissionen, falls Grundrisse verändert und Wände versetzt werden müssen.     

Die grauen Emissionen beim Bauen

Eine weitere Emissionsquelle für CO2 liegt schlicht bereits in der Herstellung der Baumaterialien und Technikkomponenten. Der notwendige Aufwand an „grauer Energie“ verursacht ebenfalls Treibhausgas. Darauf geht das Gebäudeenergiegesetz nicht ein. Die Antwort auf diese Herausforderung kann sein: möglichst CO2-arme Baustoffe und generell mehr Holzbau. Und schlankere Betonkonstruktionen, bei denen die notwendige Stabilität durch Zusatz von Fasern erreicht wird. CO2 bei der Herstellung von Zement als wesentlichem Bestandteil von Beton zu vermeiden, scheint hingegen nur sehr begrenzt möglich. Die Zementindustrie ist dementsprechend Hauptkandidat bei der Abscheidung, dem Abtransport via CO2-Pipeline und der Lagerung unter den Meeresboden, wie Habeck sie nun plant. (rk)

Quellen:

„Energieeffiziente Gebäude. Schlussakt im Ringen um die Richtlinie?“,www.tageschau.de, 12.03.2024

Website des BMSB, www.bmwsb.bund.de

FAQ zur EPBD: germany.representation.ec.europa.eu

„Kommunen in der Zwickmühle der Wärmewende“, Jochen Luhmann, www.klimareporter.de, 24.02.2024

klimaseite.info, 13.08.2023

Bei einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Umweltbundesamts hat sich erneut ein großer Teil der Befragten für mehr Klimaschutz ausgesprochen. Dabei trat aber auch zutage, dass die Bevölkerung in erster Linie die Regierung und Industrie in der Pflicht sieht, die Verbraucher selbst von Verzicht und Verboten aber wenig wissen wollen. Damit wurde einer der Hürden und Widersprüche auf dem Weg zur Klimawende und zur Klimaneutralität sichtbar. Denn fehlende Eigenverantwortung ist einer der Gründe, weshalb wir bei diesem Thema nicht weiterkommen und Deutschland die selbstgesteckten und im Klimaschutzgesetz festgelegten Klimaschutzziele bis 2030 wahrscheinlich verpassen werden. Und erst recht sind wir nicht auf Kurs hinsichtlich des globalen 1,5-Grad-Ziels, das eine radikale Absenkung der Treibhausgasemissionen in den nächsten zehn Jahre bedeuten würde, denn dafür geht die Emissionsminderung in Deutschland viel zu langsam. Wir müssten etwa um den Faktor drei schneller werden.

Das Heiz-Desaster

Ein weiteres unrühmliches Kapitel der nationalen Klimapolitik nach der Verwässerung des Klimaschutzgesetzes ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit den Bestimmungen zur Heizungstechnik, die deutlich hinter den Anforderungen eines konsequenten Klimaschutzes zurückbleiben. Dies ist nicht etwa exklusive Auffassung von Umweltorganisationen wie Germanwatch, die kritisieren, das Gesetz reiche nicht aus, „den Gebäudesektor zum Erreichen der Klimazeile 2030, 2040 und 2045 zu bringen“. Viele Fachleute teilen die Kritik. Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm, Sachverständige im Auftrag der Bundesregierung, meinte: „Das ist natürlich nicht das Ergebnis, das man sich eigentlich gewünscht hat“. Faktisch wurde die Wärmewende in den Heizungskellern um einige Jahre verschoben. Damit hat die Bundesregierung erneut eine Ausfahrt zur Klimawende verpasst.

Fake News und Heizmythen

Neben den oft zitierten, aber selten hinterfragten „Innovationen“ war die „Technologieoffenheit“ ein weiteres Narrativ, das diese überhitzte Heizungsdebatte prägte. Dass die Klimaschutzziele automatisch zu einem Ranking unter den marktverfügbaren Techniken führen, klimafreundliche Techniken also zu priorisieren und klimaschädigende zu verbieten waren, interessierte allenfalls am Rande. Und so wundert es auch nicht, dass Habecks erster Vorstoß, die Neuinstallation von Gasheizungen ab 2024 zu untersagen, sich als politisch nicht durchsetzbar erwies. Nicht weil Habeck dabei „mit der Brechstange“ oder „aus ideologischen Gründen“ heranging, so die vielgehörten Vorwürfe, sondern weil er die Gangart einschlug, die Klimawandel vorgibt, konform mit den Absprachen innerhalb der Koalition, die den Partnern in der Ampel anscheinend entfallen waren. Die Grünen gerieten nicht nur mit der Union in Clinch, sondern auch mit der FDP, während die SPD sich still im Hintergrund hielt. Am Ende dieser Debatte kann man nur noch einen Totalschaden bei der Reputation der Bundesregierung diagnostizieren. Aufgrund des Dauerfeuers der Opposition und anhaltender Kritik in den meisten Medien fanden noch eine Reihe weiterer Heiztechniken Eingang in Habecks Gesetzesentwurf, mit dem das Kabinett in die Sommerpause ging. Am Ende war diese Palette der zulässigen Heizungen gänzlich unideologisch und technologieoffen gestaltet, aber nicht prioritär auf Klimaschutz ausgelegt.

Das Heizhämmerchen

Der Gesetzesentwurf, auf den sich das Bundeskabinett vor der Sommerpause geeinigt hatte, lässt eine ganze Reihe unterschiedlicher Heizungen bei der Neuinstallation zu. In Neubaugebieten, nicht aber im Bestand müssen Gebäude zu 65 % aus erneuerbaren Quellen wärmeversorgt werden. Selbst wenn keine kommunale Wärmeplanung mit einem klimaneutralen Gasnetz vorliegt, können neue Gasheizungen installiert werden, wenn sie zu 65% mit Biogas oder Wasserstoff aus Tanks versorgt werden. Plant die Kommune ein klimaneutrales Gasnetz, sind auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen ohnehin erlaubt. Während neue Gaskessel ursprünglich ab Anfang nächsten Jahres verboten werden sollten, bleibt ihr Einbau jetzt noch lange erlaubt, wenn sie technisch auf Wasserstoff umrüstbar sind („H2-ready“); ohnehin aber bis Ende 2023 und diese „Gnadenfrist“ nützen momentan viele Hauseigentümer aus. Die Installation einer solchen Gasheizung ist zunächst einmal billiger als beispielsweise der einer Wärmepumpe, aber der Betrieb kann den Eigentümern auf Dauer teuer zu stehen kommen. Deshalb beinhaltet das Gesetz die Pflicht, sich vor der Installation beraten zu lassen. Endgültig wird es wohl nach im Herbst beschlossen werden. Die Koalition scheint einig, aber die Union hat schon mal ihren Widerstand angekündigt, obwohl die Regierung mit dem letzten Entwurf nach allen Seiten hin Kompromisse eingegangen ist.    

Der Emissionssektor Gebäude

Der Energieverbrauch von Gebäuden setzt sich zusammen aus den Wärmeverbrauch für Heizung und Warmwasser, dem Strom für Beleuchtung, Aufzügen und Pumpen und – sicherlich zunehmend- auch dem Kühlbedarf. Gebäude verursachen während ihrer Nutzung etwa ein Drittel der deutschen Treibhausgase per anno allein durch ihre Wärmeversorgung. Hierbei sind die Emissionen aus der Herstellung der Baumaterialien und der Entsorgung noch gar betrachtet. Es gilt also, den Wärmeverbrauch zu senken, etwa durch energieeffiziente Heizungstechnik und gute Wärmedämmung der Gebäudehülle, und diesen reduzierten Bedarf dann durch klimafreundliche Energieträger abzudecken. Vor allem müssen wir schleunigst weg von der Verbrennung fossiler Energieträger, bei den Heizungen, also weg von Heizöl und Erdgas. „Dekarbonisierung“ ist bei Heiztechnik ebenso wie beim Antrieb von Fahrzeugen das Gebot der Stunde. Auch beim Verzicht auf Erdgas und Heizöl muss niemand frierend im kalten Wohnzimmer sitzen. Ähnlich wie bei der Mobilität wird der Strom als Energieträger künftig auch im Heizungskeller eine größere Rolle spielen. Gemeint sind jedoch nicht Direktheizungen mit Strom, – stromfressende Nachtspeicherheizungen sind ein Auslaufmodell, auch moderne Infrarot-heizungen stellen nur in Sonderfällen eine gute Lösung dar – , sondern Wärmepumpen (WP).

Die Wärmepumpen-Technik

Wärmepumpen entziehen einer Quelle – in der Regel ist das entweder Luft, Grundwasser oder Erdreich – die Wärme, heben sie auf ein höheres Temperaturniveau (daher der Begriff der Pumpe) und speisen sie dann in den Heizkreislauf ein oder geben sie für die Warmwasserbereitung ab.  Sie arbeiten umso effizienter, je geringer der Temperaturunterschied zwischen Quelle und Abgabestelle ist. Wenn beispielsweise genügend Grundwasser vorhanden ist, steht eine Wärmequelle mit etwa plus 12 Grad im Winter zur Verfügung, während draußen vielleicht minus 12 Grad herrschen. Die Außenluft stellt also gerade im Winter keine optimale Wärmquelle dar. Auf der anderen Seite lässt die Effizienz von Wärmepumpen auch durch Fußbodenheizungen steigern, die mit ca. 35 Grad Celsius statt der mindestens 50 Grad Celsius im Vorlauf neuer Heizkörper auskommen. Angetrieben werden die Wärmepumpen mit Strom, der idealerweise ebenfalls aus erneuerbarer Quelle stammt, etwa von der Photovoltaikanlage auf dem Dach. Denn der deutsche Strommix besteht nur zu etwa der Hälfte aus Ökostrom. Unter dem Strich können WP mit einer Kilowattstunde Strom drei bis fünf Kilowattstunden Wärme erzeugen, je nach Effizienz des Systems.   

Die Wärmepumpe ist in einigen, vor allem in den skandinavischen Ländern schon weit verbreitet und auch in Deutschland zogen die Verkaufszahlen in den letzten drei Jahren deutlich an. Eine weltweit millionenfach bewährte Technik also. Trotzdem kam sie während des Heizungsstreits im Frühjahr 2023 ins Gerede, während die, von der FDP präferierte „innovative Technik“ der Gasheizungen, die in ferner Zukunft Wasserstoff verbrennen sollen,  gleichzeitig zum Hoffnungsträger avancierte. Heizungen mit Wasserstoff als Energieträger sind zwar technisch machbar, aber überhaupt keine realistische Option aus mehreren Gründen, zumal wenn es „grüner“, also mithilfe von Ökostrom und per Elektrolyse hergestellter Wasserstoff sein soll. Dieser „Champagner der Energiewende“ ist heute noch eine absolute Rarität und wird auch künftig für den normalen Hauseigentümer nicht erschwinglich sein. Die Fans von Wasserstoffheizungen in der FDP setzen also auf ungelegte Eier, wie auch bei den E-Fuels und schieben damit die Wärme- und Antriebswende auf die lange Bank.

Wärme aus dem Kraftwerk

Eine größere Daseinsberechtigung im Gebäudeenergiegesetz hat die Fernwärme, auch wenn dieser Wärmeträger im Allgemeinen noch weit vom Label „klimaneutral“ entfernt ist. Denn hierzulande wird Fernwärme überwiegend aus fossilen Energieträgern produziert, hinzu kommt der ebenfalls nicht klimaneutrale Restmüll als Brennstoff und erst an dritter Stelle schlagen erneuerbare Energien wie Solarwärme oder Tiefengeothermie zu Buche. Aber Wärmeversorger wollen diesen Anteil und auch die Nutzung industrieller Abwärme steigern. Und auf lange Sicht könnte auch Wasserstoff, optimalerweise grüner Wasserstoff in Heizkraftwerken zum Einsatz kommen, wenn er denn irgend-wann bezahlbar sein sollte. Auf jeden Fall sollen Heizkraftwerke wie Stahlwerke und Großbetriebe der chemischen Industrie an das geplante Wasserstoff-Leitungsnetz angeschlossen werden, womit die allerwenigsten Gebäudeeigentümer rechnen dürfen.

Die Fernwärme, die seit vielen Jahren mit einem durchschnittlichen Anteil von unter 14 % bei den Heizungen vor sich hindümpelt, hat also durchaus Potenzial für den Klimaschutz. Sie ist jedoch sicher nicht die Lösung für alle Fälle, denn der Bau eines Fernwärmenetzes setzt eine gewisse Gebäudedichte voraus, wie sie in ländlichen Räumen auf Dörfer und Siedlungen mit Einfamilienhäusern fehlt. Aber selbst in Großstädten mit einem hohen Anteil von Mehrfamilienhäusern sind längst nicht alle Gebäude angeschlossen, in München beispielsweise nur ein knappes Drittel. Dort kommt der Anschluss von Bestandsgebäuden mangels einer kommunalen Fernwärmesatzung selbst im bestehenden Versorgungsgebiet nur zäh voran.

Wärmenetze

Einige Stadtviertel in München hängen noch am Dampfnetz, die Umstellung auf das mit weniger verlustbehaftete Heißwassersystem ist geplant, wird noch einige Jahre beanspruchen. Weil mit den Temperaturen auch die Wärmeverluste sinken, macht eine Temperatur-Absenkung im Netz viel Sinn. Selbst beim Heißwassernetz passt das Temperaturniveau von 80 – 120 Grad Celsius für manche Industrieunternehmen, für Wohngebäude ist aber tendenziell zu hoch. Vor allem bei Neubauten genügen maximal 70 Grad Celsius im Heizungsvorlauf, auch zur Warmwasserhygiene und bei Fußbo-denheizungen reichen sogar 30 – 40  Grad Celsius. Durch Senkung der Temperaturen in Fern- und Nahwärmenetzen bis hin zur „kalten“ Fernwärme könnten also durchaus Energie und CO2 eingespart werden.

Niedrigtemperaturnetze mit Wärme aus Solarkollektoren, industrieller Abwärme oder Tiefengeothermie sind also ein Lösungsansatz. Sie erfordern allerdings neue bzw. zusätzliche Infrastruktur. Aus Praxisbeispielen lässt sich ersehen, wie es geht. In Deutschland speisen mittlerweile 49 große Solarthermie-Anlagen in Fernwärmenetze ein. In Frankfurt-Gallusviertel werden 1.300 Wohneinheiten größtenteils von einem Rechenzentrum beheizt. Abwasser, Grundwasser oder Erdreich bietet ein noch niedrigeres Temperaturniveaus von etwa 10 bis 20 Grad Celsius. Dieses kann aber durch Wärmepumpen so angehoben werden, dass diese „kalte Fernwärme“ nutzbar wird. Neben der recht weiten Verbreitung dieser Schweiz gibt auch in Deutschland erste Anwendungsbeispiele. So nutzt IKEA in Berlin-Lichtenberg einen Abwasserkanal energetisch. Die entzogene Wärme wir mittels einer Großwärmepumpe auf 35 Grad Celsius angehoben.     

Bislang aber wird das Gros der Fern- und Nahwärme mit Hochtemperatursystemen erzeugt, bei denen fossilen Energie eine tragende Rolle spielen. Deren CO2-Bilanz wird zwar durch Mitverbrennung von Holz in Kohlekraftwerken oder Müllverbrennung etwas besser, aber kommt an Niedrig-temperatursysteme mit Wärme aus erneuerbaren Quellen nicht heran. Insofern ist konventionell erzeugte Fernwärme, die aus einem modernen Heizkraftwerk mit einer Gas-und-Dampf-Anlage (GuD) stammt, vor allem wegen der sehr guten Ausnutzung des Energiehalts der Brennstoffe im Zuge der Kraft-Wärme-Kopplung klimafreundlicher als die Gasheizung im Keller, aber längst nicht das Optimum. Auch bei der Fernwärme muss also noch viel „dekarbonisiert“ werden. Nach Angaben des Fachverbands AGFW kann bundesweit nur ein Drittel der Fernwärme als klimaneutral gelten.  

Heizen Gaskessel bald mit Wasserstoff?

Der künftige Einsatz von Wasserstoff (H2) als Erdgasersatz hängt grundsätzlich vom Ausbau des Wasserstoffnetzes, von der Verfügbarkeit und vom Preis ab, dürfte insofern in den nächsten 10, 15 Jahren bei Gebäuden noch keine Rolle spielen, speziell was „grünen“ Wasserstoff als Energieträger angeht. Die Elektrolyse-Kapazität in Deutschland reicht aktuell gerade mal aus, um 0,3 % des Erdgases durch Wasserstoff zu ersetzen. Und der wird zur Industrie und zu Großkraftwerken strömen. Der Kraftwerkssektor wird aber wahrscheinlich zunächst den günstigeren „blauen“ Wasserstoff einsetzen, der aus Erdgas mit CO2-Abscheidung gewonnen wird.  Zudem muss das Erdgasnetz für Wasserstoff ertüchtigt werden. Das ist technisch natürlich machbar, kann aber dauern. Vorrang haben dabei sicher die Großabnehmer. Gebäudeeigentümer im weitverzweigten Erdgas-Verteilnetz dürfen sich da wenig Hoffnung machen. Weiteres Manko: Bei der Rückverstromung von mit Elektrolyse erzeugten Wasserstoff bleibt sehr viel Energie auf der Strecke. Ob grau, blau oder grün, bei Hausheizungen wird Wasserstoff auf absehbare Zeit kaum eine Rolle spielen, da aufgrund der Nachfrage von Großverbrauchern, der langen Herstellungskette oder des Transportwegs (bei Importen) auch mittelfristig keine bezahlbaren Preise für Hauseigentümer zu erwarten sind. Solche Marktmechanismen müssten eigentlich bekannt sein, fochten aber die Befürworter dieser illusorischen Idee in der Heizungsdebatte offensichtlich nicht an.                 

Kommunale Wärmeplanung

Bei der Frage, wo welche Heizung Sinn macht, kommt die Wärmeplanung ins Spiel, die die Bundesregierung ebenfalls gesetzlich regeln will. Größere Städte ab 100.000 Einwohnern sollen demnach ab Mitte 2026 eine Wärmeplanung für das Stadtgebiet haben, kleine Städte ab Mitte 2028. Darin legt die Kommune, meist in enger Abstimmung mit dem Wärme- und Gasversorger, die künftig mit Fernwärme versorgten Bereiche fest. In diesen Vorranggebieten könnten im Zuge kommunaler Satzungen wahrscheinlich auch neue Gasheizungen ausgeschlossen werden. Der Einbau neuer Ölheizungen ist laut GEG-Entwurf wohl bereits Anfang nächsten Jahres bundesweit verboten. Das Gebäudeenergiegesetz soll eng mit dem „Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmeversorgung“ verzahnt werden. Zunächst muss eine kommunale Wärmeplanung vorliegen, bevor die Auflagen des GEG zur Heizung gelten. Diese Kopplung macht zwar grundsätzlich Sinn, schlösse aber im Grunde genommen einen früheren Ausstieg aus der Heiztechnik mit Erdgas im Neubau nicht aus. Die Regelungen im aktuellen GEG-Entwurf klingen sehr nach erfolgreicher Lobbyarbeit der Gas- und Wärmeversorger.

Dezentrale Heizungen

Die allermeisten Gebäude in Deutschland sind jedoch nicht an Wärmenetze angeschlossen, sondern werden durch „dezentrale“ Wärmerzeuger in den Gebäuden, sprich: Heizkessel versorgt. Etwa 90 % von den 21,3 Millionen Wärmeerzeugern in Deutschland verfeuern Heizöl oder Erdgas als Brennstoff. Deutschland heizt also überwiegend fossil. Diese 14 Mio. Gaskessel und 5,2 Mio. Ölkessel sind jedoch nicht kompatibel mit den Klimaschutzzielen und müssen baldmöglichst durch klimafreundlichere Alternativen ersetzt werden. Diese schlichte Tatsache ging im Kampfgetöse um „Habecks Heizhammer“ unter.  Schon bisher mussten Gas- und Ölkessel nach 30 Jahren ausgetauscht werden. 2024 werden 3,2 Mio. 30 Jahre oder älter sein. Viele davon müssen in den nächsten Jahren ersetzt werden.  Als Alternative zu dieser klimaschädlichen Technik haben sich vor allem Wärmepumpen mit der Wärmequelle Luft plus Photovoltaikanlage auf dem Dach etabliert. Außerdem ist bei den Einzelheizungen mit Wärmpumpe das Potenzial der möglichen Wärmequellen Grundwasser und Erdreich längst noch nicht ausgeschöpft. Die Sonne könnte auch für die Warmwasserbereitung und Beheizung eine größere Rolle als bisher spielen, nämlich durch die altbekannte Technik der Solarthermie. Solarkollektoren können den Warmwasserbedarf eines Einfamilienhauses zur Hälfte abdecken und ganzjährig etwa 15 bis 20 Prozent zur Heizung beitragen (bei Niedrigstenergiehäusern mehr).

2022 wurden noch 600.000 neue Erdgasheizungen eingebaut, fast dreimal mehr als Wärmepumpen. „Wenn diese Zahl wegen der beschworenen Technologieoffenheit nicht schnell sinkt, bedeutet das eine unnötige Hypothek für den Klimaschutz“, so Joachim Wille vom Klimareporter. Denn die Gaskessel haben eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren. Nachdem sich die Bundesregierung bei der Wärme-wende Zeit lässt, kommt es sehr auf die Motivation der Hauseigentürmer zum Kesseltausch an. Da werden die Anschaffungskosten des Wärmeerzeugers, der Preis der Brennstoffe, die steigenden CO2-Preise und die Förderangebote des Bundes eine wichtige Rolle spielen. Aktuell sind rekordverdächtige Fördersätze von bis zu 70 % der Anschaffung angekündigt. Sonst hätten Wärmepumpen, die das Drei- bis Vierfache von Gaskesseln kosten, auch kaum eine Chance auf dem Markt.

Holz – zum Verheizen zu schade

Auch Biomasseheizungen sind laut GEG-Entwurf auch künftig zulässig. Momentan werden mehr als Million Haushalte mit Holz beheizt. Aber Holz dient dem Klimaschutz nur dann, wenn das darin gespeicherte CO2 möglichst lange der Atmosphäre entzogen bleibt, zum Beispiel im Bau- oder Möbelholz, nicht aber im Fall der Verbrennung von Holzscheiten, Hackschnitzel oder Pellets. Dement-sprechend können Holzheizungen längst nicht mehr als klimafreundliche Alternativen zu Erdgas, Heizöl oder Kohle gelten. Das Gleiche gilt für das ebenfalls zulässige Biogas, sofern es nicht aus Reststoffen gewonnen wird, sondern aus Mais oder anderen speziell zu diesem Zweck kultivierten Pflanzen. Fachleute weisen beim Biogas auf die Konkurrenz zu Nahrungs- bzw. Futtermitteln und auf den hohen Flächenverbrauch hin. So sei die solare Energieausbeute einer Photovoltaikanlage pro Quadratmeter etwa zehnmal so hoch als bei der Verwertung von Pflanzen zur Biogasproduktion auf gleicher Fläche.     

Auf die Dämmung kommt es an

Die zweite Stellschraube zur Senkung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor ist der Wärmeschutz der Außenhülle, also der Wärmedämmung von Bodenplatte, Dach, Außenwänden und Fenstern, die ebenfalls möglichst wenig Wärme entweichen lassen. Der energetische Gebäudestandard hat sich in den letzten Jahren zwar fortentwickelt, aber nicht in der für die Klimaschutzziele erforderlichen Geschwindigkeit.  Die zuständige Bundesministerin Klara Geywitz (SPD) bremst schon mal die Erwartungen auf einen großen Fortschritt bei künftigen GEG-Novellen. Eigentlich sollte ab 2025 der KfW Effizienzhaus 40 Standard als Mindestanforderung für Neubauten gelten. Das ist nun fraglich. Dabei zeigen Städte wie München oder Frankfurt, die KfW EH 40 für städtische Wohnungsunternehmen und bei städtischen Gebäuden im Neubau verlangen, Frankfurt sogar den Passivhausstandard, dass man diese Messelatte auf Bundesebene durchaus anlegen könnte. Entscheidender noch als der Neubau ist aber das unzureichende Tempo bei Gebäudesanierungen. Die Sanierungsrate von etwa 1 % pro Jahr müsste auf etwa 3 % steigen. Davon ist Deutschland weit entfernt, aktuell geht die Zahl der Förderanträge – ein Indiz für das Baugeschehen bei der Sanierung – deutlich zurück. Insofern ist völlig unklar, wie Geywitz in den nächsten Jahren die im Klimaschutzgesetz enthaltene Obergrenze für CO2 einhalten will, nachdem der Gebäudesektor die 2022 und 2021 überschritten hatte. Zumal ja noch 400.000 Wohnungen hinzukommen sollen.  (rk)             

Quellen:

„Abwasser heizt die Wohnung“, Neue Energie, 07/2023

„Neues Gebäudeenergiegesetz. Das Heizhämmerchen“, Joachim Wille, klimareporter.de, 03.07.2023

„Verbrennst du noch oder heizt du schon?“, Der Spiegel, 04.03.2023

„Das passiert jetzt in deutschen Heizungskellern“, Bauchmüller/Salavati, Süddeutsche Zeitung, 16.06.2023

„Achtung, mein Baum fällt“, Lea Kramer, Süddeutsche Zeitung, 12/13.11.2022

„Das muss sich erstmal leisten können“, Andreas Jalsovec, Süddeutsche Zeitung, 01.03.2023

„Gebäudeenergiegesetz. Aus für Gas verschoben“, Der Gebäudeenergieberater, 13.06.2023

„Klimaschutzziele könnten verfehlt werden“, www.tagesschau.de, 01.07.2023