Sachbücher
Das Ende des Kapitalismus
Ulrike Herrmann
Kiepenheuer&Witsch, Köln 2022
Aufbruch in die Welt von morgen
Maja Göpel
Ullstein Verlag, Berlin 2022
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Harald Lesch/Klaus Kamphausen
Penguin Verlag, München 2018
Vom Ende der Klimakrise – Eine Geschichte unserer Zukunft
Luisa Neubauer / Alexander Repenning
Tropen Sachbuch Klett-Cotta, Stuttgart 2019
Donner.Wetter.Klima
Kursbuch 202
Kursbuch Kulturstiftung gGmbH, Juni 2020
Das fossile Imperium schlägt zurück
Claudia Kemfert
Murmann Publishers GmbH, Hamburg 2017
Das Klimabuch – Alles, was man wissen muss in 50 Grafiken
Esther Gonstalla
oekom Verlag, München 2019
Klimawandel kompakt – Ein globales Problem wissenschaftlich erklärt
Christian-D. Schönwiese
Borntraeger Verlag, Stuttgart 2020
Der Klimawandel und die internationale Klimapolitik in Zahlen – Eine Übersicht
Stephan Buhofer
oekom Verlag, München 2017
Globaler Klimanotstand – Warum unser demokratisches System an Grenzen stößt
Graeme Maxton
Komplett-Media Verlag, München 2020
Klimaschock – Die extremen wirtschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels
Gernot Wagner / Martin L. Weitzmann
Carl Ueberreuter Verlag, Wien 2016
Faktencheck Energiewende – Konzept, Umsetzung, Kosten
Thomas Unnerstall
Springer Verlag, Berlin-Heidelberg 2016
Erneuerbare Energien und Klimaschutz
Volker Quaschning
Hanser Verlag, München 2020
Volk ohne Wagen – Streitschrift für eine neue Mobilität
Stephan Rammler
Fischer Verlag, Frankfurt 2017
Ohne Auto leben- Handbuch für den Verkehrsalltag
Berhard Knierim
Promedia Verlag, Wien 2016
Klimapolitik – Ziele, Konflikte, Lösungen
Edenhofer, Ottmar / Jakob, Michael
C.H. Beck Verlag, München 2019
Die Klimaschmutz-Lobby
Susanne Götze / Annika Joeres
Piper Verlag, München 2020
Heisszeit
Mojib Latif
Herder Verlag, Freiburg 2020
Wütendes Wetter
Friederike Otto
Ullstein Verlag, Berlin 2020
Der Klimawandel
Rahmstorf/ Schellnhuber
C.H. Beck Verlag, München 2019
Selbstverbrennung
Hans Joachim Schellnhuber
C. Bertelsmann Verlag, München 2015
Kleine Gase – große Wirkung
Nelles / Serrer
Eigenverlag, ohne Datum
Die große Transformation – Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels
Uwe Schneidewind
Fischer Verlag, Frankfurt 2019
Ich will, dass ihr in Panik geratet! – Meine Reden zum Klimaschutz
Greta Thunberg
Fischer Verlag, Frankfurt 2019
Handbuch Klimaschutz
Karl-Martin Hentschel / Mehr Demokratie e.V.
Oekom Verlag, München 2020
Spielball Erde
Claus Kleber/Cleo Pascal
btb Verlag, München 2014
Buchbesprechung
„Das Ende des Kapitalismus“ von Ulrike Herrmann
Eine ebenso so schockierende wie wahre Aussage dieses Sachbuchs, das zurecht auf Platz 1 auf der Spiegel-Bestseller-Liste landete, kommt relativ weit hinten: „Die Menschheit kann nur überleben, wenn sie keine Treibhausgase mehr emittiert.“
Vieles, was durch die öffentlichen Debatten schwirrt und durch die Köpfe geistert, ist hier zu Ende gedacht. Das Buch legt den Fokus auf den Rahmen des Wirtschaftssystems, in dem sich die Klimapolitik der Staaten weltweit abspielt. Die zentrale These lautet dabei: Der Kapitalismus allgemein, wie auch die soziale Marktwirtschaft speziell sind auf Wachstum ausgerichtet und funktionieren nur so. Da aber die erneuerbaren Energien den Energiehunger nicht abdecken können und die globalen Ressourcen und Rohstoffe endlich sind, stößt auch das Wirtschaftssystem früher oder später an Grenzen.
Die Energiewende hin zu einer klimafreundlichen Energieerzeugung und -versorgung ist aus Sicht der Autorin unvermeidlich, wird aber nicht billig und wir Deutschen müssen trotzdem etwa ein Drittel Energie einsparen. Dass die Erneuerbare Energien auch künftig nicht ausreichen, um den Energiebedarf zu decken, ist meiner Meinung nach aber nicht schlüssig nachgewiesen. Der Emissionssektor Energie ist ausgeführt, andere Bereiche sind jedoch nur angeschnitten.
Weitere Thesen des Buchs: Ökosteuern können den Energieverbrauch kaum bremsen. Das „Energiegeld“ bzw. Klimageld führt nur dazu, dass die Haushalte das Geld anderweitig und durchaus oft nicht klimaschonend verkonsumieren. Die Idee eines festen CO2-Budgets für jeden Bürger, wobei Minderemissionen verkauft werden dürften, findet Herrmann unsozial, weil Wohlhabende, ohnehin für einen überproportional großen Teil der deutschen und weltweiten Emissionen verantwortlich, sich dann freikaufen könnten. Auf soziale Ungerechtigkeiten könne man keine glaubwürdige Klimapolitik bauen. Für ein fixes, staatlich festgesetztes CO2-Budget nach Maßgabe der Klimaziele spräche allerdings, dass jeder seinen Jahresausstoß kennen würde bzw. sich damit beschäftigen müsste. So könnte der gegenwärtige Blindflug beendet werden. Und die Regierung wäre in der Lage, Gesellschaft und Wirtschaft auf Ziellinie der CO2-Minderung bringen. Aber neben den sozialen Spannungen wäre auch das entsprechende Kontrollsystem nicht unproblematisch.
Vor allem aber demontiert die Autorin die weit verbreitete Hoffnung vom „grünen Wachstum“, das es den Verbrauchern erlauben würde, auf Konsumverzicht zu verzichten und der Politik, die ungeliebten Verbote zu vermeiden. Sie scheut sich stattdessen nicht, von staatlicher Regulierung und Rationierung zu sprechen. Auch mit der blauäugigen Erwartung auf klimarettende Innovationen wird aufgeräumt. Was aber für sie insofern kein Problem darstellt, als die jetzigen Techniken und Instrumente ausreichten, um zur Klimaneutralität zu kommen. Die wird in Anbetracht der COc-Senken nicht etwa definiert mit null Emissionen, sondern mit einer Tonne pro Einwohner und Jahr.
Im Detail hat das Buch auch ein paar Schwächen. Für 2020 ist angegeben, dass „Solarpaneele“, (gemeint sind wahrscheinlich Photovoltaikanlagen) und Windkraft nur 7,7 % des deutschen Endenergieverbrauchs abdeckten. Allerdings geht es bei Endenergie nicht nur Strom und bei den Erneuerbaren nicht nur um Solar- und Windkraft. In diesem Jahr lag der gesamte erneuerbare Anteil am Bruttoendenergieverbrauch bei immerhin 22%. Die Rolle und das Potenzial von Wärme aus erneuerbaren Quellen (Solarwärme, oberflächennahe Geothermie und Tiefengeothermie) ist im Gegensatz zum Strom unterbelichtet. Wenn dann statt Silizium „Silikon“ da steht, wird es fast ein bisschen peinlich. Okay, ein verzeihlicher Flüchtigkeitsfehler!
Stromspeicher und neue Speichertechnologien sind ebenfalls unterbewertet. Auf den laufenden Stromnetzausbau wird nicht eingegangen, überschätzt wird hingegen das Problem der Dunkelflauten, die sich im nationalen und europäischen Maßstab gegenwärtig wie auch künftig ausgleichen lassen.
Wichtiger als einzelne Techniken zur Energieerzeugung sind ohnehin die Funktionsfähigkeit, Bezahlbarkeit und Effizienz von Energiesystemen wie etwa der Fernwärmeversorgung oder einer Wasserstoffinfrastruktur, die Sektorkopplung, die fällige Elektrifizierung im Heizungskeller und auf der Straße. Aber richtig ist: Statt den steigenden Sprit- und Stromverbrauch klimafreundlich decken zu wollen, müsste zuallererst und vor allem der Verbrauch runter!
Hinsichtlich der Befürchtung, durch Energiesparen, Konsumverzicht, schrumpfende Wirtschaft und Absenkung der CO2-Emissionen würde Deutschland ins Mittelalter zurückfallen, gibt die Autorin Entwarnung: Es ginge nur um eine Absenkung auf das Level der 70-er Jahre. Wir dürften unsere Handys behalten, dürften allerdings auch weniger fliegen als momentan. „Überlebenswirtschaft“ nennt Herrmann das.
„Die Industrieländer stehen vor einer Alternative, die eigentlich keine ist. Entweder sie verzichten freiwillig auf Wachstum – oder die Zeit des Wachstums endet gewaltsam, weil die Lebensgrundlagen zerstört sind.“
Diese Aussage gibt wenig Anlass zum Optimismus, da Gesellschaft und Politik gegenwärtig nicht bereit sind zu einer tiefgreifenden Transformation. (rk)